Vom Problem, Nähe nicht zulassen zu können

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Als IRA-Häftling Bobby Sands in Steve McQueens "Hunger“ wurde Michael Fassbender bekannt. Nun spielt er wieder mit diesem Regisseur.

Die Furche: Mr. Fassbender, die Rolle des Brandon in "Shame“ war schwieriger als ihre im Hungerstreik befindliche Figur in "Hunger“?

Michael Fassbender: Die Rolle in "Hunger“, das war eine Figur, die sehr stark an sich und ihre Ziele geglaubt hat, die durch den Hungerstreik etwas erreichen wollte, während Brandon, der Sexsüchtige in "Shame“, sich selbst nicht mag. So jemanden darzustellen, fällt mir tatsächlich schwer.

Die Furche: Inwieweit hat der Titel "Shame“ mit der Sexsucht zu tun?

Fassbender: Der Titel "Shame“ hat weniger mit der Sexualität und dem Sich-Schämen zu tun, als vielmehr mit dem Gefühl, das viele ehemalige Abhängige kennen: Ein Schamgefühl, ein Genieren für das, was man sich mit der Sucht angetan hat. Das hat mit Kontrollverlust zu tun. Man fühlt sich schlecht, wenn man diese Kontrolle verliert und rückfällig wird. Das geht wohl auch einem Alkoholiker so, der morgens aufwacht und nochmal an die letzte Nacht zurückdenkt, in der er sich hat volllaufen lassen. Und der nun erst mal eine halbe falsche Schnaps braucht, um überhaupt in eine Startposition für den Tag zu gelangen. "Shame“ im Sinne von nicht mehr kontrollieren zu können, was man tut. Als Brandon Sex mit der Prostituierten hat, hat er die Kontrolle über sich. Als er sich später mit seiner Arbeitskollegin einlässt, kann er im Bett plötzlich nicht performen, weil es hier mehr ist als nur Sex. Brandon kann mit Nähe nicht umgehen.

Die Furche: Was ist Sexsucht?

Fassbender: Die ist ja gar nicht als Sucht anerkannt. Ich traf mich mit Männern, die dasselbe Problem wie Brandon haben, nämlich Nähe zuzulassen. Wenn jemand ein sexuell sehr aktives Leben führt, ist er noch lange kein Sexsüchtiger.

Die Furche: Michael Douglas war einer der prominentesten Sexsüchtigen.

Fassbender: Wenn man berühmt ist und im Rampenlicht steht, ist man anfälliger für jede Art von Form von Exzess. Man lebt ein Leben unter der Beobachtung der Öffentlichkeit, und mit dem Ruhm eröffnen sich sehr viele Gelegenheiten. Als Michael Douglas mit seiner Sexsucht an die Öffentlichkeit ging, haben ihn die Leute dafür ausgelacht, weil sie natürlich dachten, dass Promis wie er den ganzen Tag ohnehin nichts Besseres zu tun hätten. Das es ein echtes Problem ist, hat man damals nicht gesehen.

Die Furche: Könnten Sie auch den Verlockungen des Ruhms erliegen?

Fassbender: Man erinnert sich natürlich an die Zeit, in der man sich keine Kleidung kaufen konnte, und heute wollen mich verschiedene Marken einkleiden. Das ist absurd. Die Gefahr liegt darin, dass man Gefallen daran findet, so umgarnt zu werden. Und dann kehrt sich der Ruhm vielleicht einmal um und man fällt in ein Loch, aus dem man schwer wieder herausfindet. Ich habe große Angst, wenn ich in neue Projekte gehe. Davor, mein Niveau nicht halten zu können.

* Das Gespräch führte Matthias Greuling

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