Von Erregung und Aufregung

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Gustave Courbet war es, der erkannt hat: Sobald man sich nicht mehr über mich erregt, bin ich passé. Ob das heute noch gilt? Dies sei eine Überlegung wert - damit habe ich mich aus meiner letzten Kolumne verabschiedet. Nun?

Wenn die Kunsthalle Wien eine Ausstellung mit dem Titel "The Porn Identity" aufs Programm setzt, dann darf man wohl - mit kollegialem Respekt - ein Liebäugeln mit dem Erregungspotenzial mancher der gezeigten Werke unterstellen. Ob's funktioniert, wird sich weisen. Seit der berüchtigte "Pornojäger" Martin Humer, vermutlich altersbedingt, seine Feldzüge eingestellt hat, sind physische Attacken auf Kunstwerke zum Glück nicht mehr zu erwarten. Erinnern Sie sich? Die Beschädigung eines Mühl-Bildes in der Secession 1998?

In Courbets 19. Jahrhundert waren es freilich die professionellen Kunstkritiker, die angesichts neuer Stile in Rage geraten konnten. Dabei nahmen zwar keine Kunstwerke Schaden, doch die Karrieren der betroffenen Künstler gerieten in Turbulenzen. Aus denen sie durchaus gestärkt hervorgehen konnten.

Von der Kunstkritik heute ist Empörung nicht zu erwarten. Im besten Fall eine schlüssig argumentierte Diagnose des Scheiterns, leider zu oft nichts Raffinierteres als gelangweiltes Spötteln. Aufgeregt geben sich höchstens Politiker/innen (wie über Gelitins "Arc de Triomphe" in Salzburg 2003) - und die werden von Kunstverständigen nicht ernst genommen. Aber trotz aller Abgebrühtheit der Fachwelt, der Erfahrung des Publikums: Ist auf dem Weg zu den vordersten Rängen des Kunstmarkts ein Disput ums Werk, ein Aufreger hier und da nicht unverzichtbar - oder zumindest hilfreich?

Damien Hirst, Jonathan Meese, Christoph Schlingensief, der verstorbene Martin Kippenberger … Sie sind auf dem Weg in die Kunstgeschichte. Wetten? Denn - mehr als Aufregen - Leidenschaften polarisieren, das muss man erst einmal können.

Die Autorin ist Direktorin des Lentos Kunstmuseum Linz

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