Von weiblichen Machtfantasien

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Der heutige Tagesbeginn bescherte mir eine Krise. Sie wurde ausgelöst beim Öffnen meiner Post. Doch dazu später.

Im Lauf des Tages las ich einen Artikel zu meinem Metier. Er glich aufs Haar etwa drei anderen Texten, die ich in diesem Jahr in in- und ausländischen Zeitungen gelesen habe. Neuerlich hatte mich der Titel gelockt: "Gleichstellung in der Kunstwelt? Die Zahl der Museumsdirektorinnen wächst. Haben Frauen die Macht im Kunstbetrieb übernommen?“ Alarm, Alarm.

Wir können gleich Entwarnung geben. Der Artikel in der Zeit - der sich auf Deutschland bezieht - stellt fest, dass ein Viertel der Direktoren im Nachbarland weiblich ist. Sieht so eine Machtübernahme aus?

Es gibt im Kunstbetrieb, aber auch nur in Deutschland und Österreich (wofür mir die Erklärung fehlt), mehr weiblich besetzte Führungspositionen als in anderen Bereichen. Es gibt zahlreiche tüchtige Galeristinnen. Aber die international bedeutenden Museen und die mächtigen Galerien, welche durch Preisabsprachen, Beeinflussung von Auktionen und strategisches Klüngeln mit Sammlern und Künstlern wirklich Geld machen, die sind in männlicher Hand. Jede Aufregung um eine Museumsdirektorin mehr ist da nichts als Theatergewitter. Zumal die Direktorinnen sofort büßen, wenn sie einer Künstlerin eine große Ausstellung widmen. Die Besucherzahlen brechen verlässlich ein. Frida Kahlo ist da nur die Ausnahme, welche die Regel bestätigt.

Ja, und heute früh holte ich aus dem Briefkasten die Unterlagen des Reisebüros für eine bevorstehende Wochenendreise. Die Reise hatte ich gebucht, mit meiner Kreditkarte bezahlt, die Dokumente gingen an meine Postadresse. Als ich das Kuvert öffnete, ein Begleitschreiben: "Sehr geehrter Herr N. N.!“ Man hatte sich die Mühe gemacht, den Namen meines Reisegefährten hervorzuholen und an erste Stelle zu setzen. Nun, eigentlich wurde ich überhaupt nicht angesprochen.

Ein Fingerzeig der Realität, um mich vor allfälligen Machtfantasien zu bewahren.

Die Autorin ist Direktorin des Lentos Kunstmuseums Linz

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