Wenn die Mutter mit dem Sohne

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Julia Roberts und -vor allem -Lucas Hedges brillieren in Peter Hedges' Familiendrama "Ben is Back" über den verzweifelten Kampf wider die Drogensucht eines 19-Jährigen.

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Julia Roberts und -vor allem -Lucas Hedges brillieren in Peter Hedges' Familiendrama "Ben is Back" über den verzweifelten Kampf wider die Drogensucht eines 19-Jährigen.

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Weihnachten, wie es sich für eine amerikanische Familie gehört: Die beiden Kleinen spielen Schaf und Engel beim Krippenspiel, deren ältere Halbschwester Ivy singt die heiligen Choräle in der Kirche, in die sie nur einmal im Jahr gehen, eben in der Christnacht. Als die Familie Burns mit Mutter Holly nach der Probe nach Hause zurückkehrt, steht ein ungebetener Gast vor der Tür: Ben, 19, ist Hollys Ältester und auf Entzug. Man ahnt nach wenigen Minuten: nicht zum ersten Mal. Und mit einer Schuld-und Kriminalgeschichte, in der ein entspanntes Feiern kaum denkbar erscheint.

Neal, Afroamerikaner und gut bestallt sowie Bens Stiefvater, ist -gelinde gesagt -not amused, hat er doch Hypotheken aufgenommen, um Ben vor dem Gefängnis zu bewahren und in einer betreuten Einrichtung unterzubringen. Aber Holly will es, trotz schlimmer Erfahrungen ein Jahr zuvor, wagen: Sie erlaubt Ben, 24 Stunden zu bleiben, allerdings unter ihrer totalen Kontrolle -offene Klotür beim Drogentest, den sie vorab verlangt, inklusive.

24 nervenzerfetzende Stunden

Die 24 Stunden haben es in sich. Denn Ben ist eben nicht nur der auf Entzug befindliche Sohn, sondern er hat sich mit seiner Sucht in der Kleinstadt so sehr ins Drogenmilieu verstrickt, dass er nicht mehr herauszukommen scheint. Jedenfalls haben ihn verschiedene falsche Freunde in der Hand, die den weihnachtlichen Familienfrieden der Burns' stören und deren geliebten Straßenköter Pence als Geisel nehmen, auf dass Ben ihnen weiter zu Diensten sein muss. Mutter Holly, die zwischen Beschützerin und Aufpasserin changiert, würde das alles am liebsten nicht wissen wollen. Sie kommt aber immer mehr dunklen Geheimnissen ihres Sohnes auf die Schliche, der seinerseits gegen die Ohnmacht, die er in dieser Situation erfährt, zu kämpfen sucht.

Einen schier aussichtslosen Kampf einer Mutter um ihren Sohn zeigt dieser Film, schon der Titel "Ben is Back" wirkt wie ein Drohung wider die heile Welt der anderen Familienmitglieder. Stiefvater Neal will darum rigoros sein, und Holly muss ihren Einsatz für Ben auch vor ihm verbergen. Und gleichzeitig weiß die Mutter, dass sie gefragt ist und den letzten Strohhalm darstellt, an den sich Ben noch klammern kann. Der Bursch weiß das alles natürlich - und kommt nicht aus der Haut des Drogenabhängigen heraus: Was ehrlich aussieht, kann genauso gut eine dreiste Lüge sein, und jeder Dackelblick des Sohns kann die nächste Abgefeimtheit verbergen: Denn die Sucht lässt ihren Opfern keinen Raum zum Verschnaufen oder gar zur Normalität. 77 Tage ist Ben zwar schon clean -ein Rekord. Aber man fiebert einen Film lang mit, ob das nach 78 Tagen noch so bleibt.

Allergrößtes Filmschauspiel

Grandios mitnehmend ist "Ben is Back", keine Gefühlsduselei, auch kein glattes Lebensbewältigungskino. Sondern eine in jeder Sekunde aufs Neue bedrängende Frage, ob Ben es schaffen kann -auch angesichts der Toten, die den Weg seiner Lebensjahre zuvor säumen.

Julia Roberts gibt dieser Mutter Holly Burns die gleichzeitige Kraft und Fragilität, die eine Frau in dieser Situation hin-und herreißen. Aber noch mehr gelingt Lucas Hedges in der Darstellung von Ben allergrößtes Filmschauspiel. Und es wird -nach "Manchester By The Sea"(2016) oder "Ladybird"(2017) - auch mit"Ben is Back" deutlich, warum Lucas Hedges der interessanteste Jungstar ist, den Hollywood zurzeit zu bieten hat. Soeben war der 22-Jährige mit dem Südstaaten-Coming-Out-Drama "Der verlorene Sohn" bei den Golden Globes für den Hauptdarstellerpreis nominiert (der Film kommt hierzulande Mitte Februar ins Kino). Auch Courtney B. Vance, der Darsteller von Stiefvater Neal, überzeugt in seiner Rolle, ebenso gelingt dies Kathryn Newton als Bens Schwester Ivy.

"Ben is Back" ist aber auch eine Vater-Sohn-Geschichte, denn Regisseur Peter Hedges ist der Vater des jugendlichen Hauptdarstellers. Peter Hedges, von dem auch das Drehbuch stammt, brillierte bereits als Autor von "Gilbert Grape -Irgendwo in Iowa" (1993) oder mit der Nick Hornby-Adaption "About a Boy" (2002), die ihm eine Oscar-Nominierung fürs Beste Adaptierte Drehbuch einbrachte. Seit der Komödie "Dan - Mitten im Leben"(2003) mit Steve Carell und Juliette Binoche ist Peter Hedges auch als Regisseur etabliert, dysfunktionale Familiengeschichten mit vielen Beziehungsnuancen sind seine Spezialität geblieben. In "Ben is Back" fährt er diesbezüglich zu großer Meisterschaft auf.

Das Außergewöhnliche dieses Films ist, dass er auch in seinen melodramatischen Momenten die Gefahren nie aus dem Blick verliert, die für Ben, aber auch für Mutter Holly und ihre Welt lauern. Es ist schwer, die Geschichte einer Drogensucht, die immer am Abgrund des Scheiterns oder mitunter auch mit einem Schritt nach vorn und zwei Abstürzen zurück gepflastert ist, schonungslos und gleichzeitig voller Empathie nachzuzeichnen. Wer, wenn nicht eine Mutter wie Holly Burns, hätte die Kraft, dies alles auszuhalten und mitzutragen? Es zahlt sich aus, dieser Mutter und diesem Sohn auf ihrem (Film-)Weg zuzuschauen.

Ben is Back USA 2018. Regie: Peter Hedges. Mit Lucas Hedges, Julia Roberts, Courtney B. Vance, Kathryn Newton. Tobis. 103 Min.

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