Wer so schreibt, war oben!

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Ein Kletterer über den Kletterer in Hochgatterers Roman: aus erster Hand, genial!

Der Hollerbusch war für die Verschneidung so was wie das Schwalbennest für die Eiger Nordwand, nur warf das Schwalbennest im Herbst keine Blätter ab." Ein Schmankerl für einen Alpinisten, ein Gustostückerl für einen Bergfreund. So ein Satz entsteht am ehesten nach einer tollen Klettertour, wenn die Insider zusammensitzen, wenn die Wand in Gedanken noch einmal durchstiegen wird, man diese und jene Schwierigkeit, ja bis hin zu diesem oder jenem Griff noch einmal Revue passieren lässt. Dann fehlen mitunter die Worte, dann ringt man nach Vergleichen. Und in dieser Situation dann einen Hollerbusch, der mitten aus einer Felswand hervorragt, mit dem Schwalbennest, einem der wenigen ebenen Plätze am Eiger, in Verbindung zu bringen - das sitzt einfach.

Paulus Hochgatterers Buch ist gespickt mit solchen "Alpinorismen". Da zeigt einer, dass er in diesem Metier daheim ist. Seine Detailkenntnisse über Bergtouren in den Alpen bestechen: Wer von den "sensationell waagrechten Brenta Bändern" begeistert ist, muss dort gewesen sein, muss froh gewesen sein, sich nach schwerer Kletterei auf einer dieser Abstufungen eine Verschnaufpause gönnen zu dürfen. Oder die Bergler-Rinne am Glockner. Wer kennt die schon? Die meisten wissen und schwärmen doch nur von der berühmten Rinne daneben. Doch die Bergler ist die steilere und nicht so überlaufen ist sie auch. Herr Hochgatterer, gut gewählt!

Dass sein Blick auf Ausrüstungsgegenstände ebenfalls der eines Fachmanns ist, bestätigt nur das schon Gesagte. Ganz klar, was ein richtiger Bergsteiger ist, der hat halt nun einmal eine Petzl-Stirnlampe und kein anderes Fabrikat. Ob die Fritschi wirklich die beste Skitourenbindung ist, wie Hochgatterer behauptet, darüber sind wahrscheinlich schon hitzige Debatten in fast allen Schutzhütten geführt worden, daran sind schon Bergfreundschaften zerbrochen. Aber dem Ärger mit den Teleskopstöcken stimmen wohl die meisten anderen Bergnarren auch zu. Ebenfalls bestens vertraut ist der im Buch geäußerte Vorwurf, Bergsteiger pflegten zu ihrer Ausrüstung eine bessere Beziehung als zu ihren Mitmenschen.

Hochgatterer beschreibt die klassische Variante unter den Kletterern: Skrupel, Felshaken, Schlingen, Trittleitern als Aufstiegshilfen zu benutzen, kennt dieser Typus nicht. "Rotpunkt" zu klettern, also nur mit den Griffen und Tritten auszukommen, die der Fels bietet, ist für diese Alpinisten nicht vorrangig. Nicht das Klettern "by fair means", sondern das Durchsteigen der Wand ist das Ziel. "Auffi muaß I!" - und um das immer wieder zu erreichen, weiß Hochgatterers Bergsteiger genau, wie viel Zucker er in den Tee geben muss und welche Sorte Neapolitaner-Wafferln er für den Erfolg braucht.

Ja, den besonderen Spinner der Bergverrückten beschreibt Hochgatterer aus erster Hand und deswegen genial. Und das gilt auch, das sei hier noch als letzte Bestätigung angeführt, für die wunderbare Nacherzählung der Gedanken jenes Seilgefährten, der bei einer Klettertour stundenlang hinter der feschen Seilgefährtin nachsteigen muss.

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