Wertvolle und sehenswerte Kulturarbeit für Wien

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Welchen Wert hat ein europäischer Pass? Und warum schmeckt das gleiche Essen im Ausland anders? Wegen der Sehnsucht nach einem Zuhause? „Warum das Kind in der Polenta kocht“ ist der Titel einer Gute-Nacht-Geschichte, die immer schrecklicher werden muss, um mit der grausamen Wirklichkeit mithalten zu können. Schwarze Pädagogik ist mit ein Thema in Asli Ki_lals schwarzhumoriger Inszenierung – eine Dramatisierung von Aglaja Veteranyis autobiografischem Roman.

Im Rahmen der Produktionsreihe „Faces – Menschen in/durch/nach Europa“ erzählt die türkischstämmige Künstlerin Ki_lal mit ihrem Ensemble „daskunst“ im Kosmostheater Wien die Odyssee einer rumänischen Zirkusfamilie, die das Land verlässt. Die Reise in den verheißungsvollen Westen ist hoffnungsfroh, doch das Bild des paradiesischen Europa gleicht zunehmend einem Katastrophenszenario.Sensation im Zirkus ist die Mutter dieser Patchworkfamilie: Sie ist die Frau, die an den Haaren hängt. Für die stolze Tochter, deren größtes Ziel es ist, Filmschauspielerin zu werden, steter Grund zur Angst. Der Vater – eigentlich Clown – versucht sich als Filmregisseur, mit seiner Tochter aus erster Ehe verbindet ihn ein eigenartig intimes Verhältnis. Hie und da lockt er sie maskiert in den hinteren Teil des Wohnwagens, und ihre traurige Sprachlosigkeit und unbeholfene Körperlichkeit erzählen subtil eine Missbrauchsgeschichte. Die Sehnsüchte der Kinder spiegeln sich in ihren Spielen, etwa in „Frau Bodenlos wird sesshaft“, oder wenn sie eine Zukunft ohne Wohnwagen aus dem Kaffeesatz lesen. Die Schwester der Mutter ist Elvis-Fan und wechselt ihre Haarfarbe und Liebhaber wie die Länder, durch die sie zieht. Noch ist sie die wilde Messerwerferin, bis sie das Leben als Nomadin satt hat und heiratet. Ihre Messer tauscht sie gegen ein Knäuel Wolle und die imposanten Kerle gegen einen biederen Schweizer Pantoffelhelden, der abends keine Löwen bändigt, sondern den Wirtschaftsnachrichten lauscht. Die Familie zerfällt, wie die bunten Träume, die für die Kinder in einem tristen Schweizer Internat enden.

Es ist eine Tragikomödie, die Regisseurin Ki_lal entwickelt hat; eine ungewöhnliche, romantische Illusionswelt aus Zirkuselementen, die mit realen gesellschaftlichen Bedingungen konfrontiert wird. Für Wien, wo mehr als dreißig Prozent der Bevölkerung einen Migrationshintergrund aufweisen, leistet „daskunst“ mit dieser künstlerisch außergewöhnlichen und thematisch brisanten Auseinandersetzung wertvolle und sehenswerte Kulturarbeit.

„Warum das Kind in der

Polenta kocht“ ist eine Gute-Nacht-Geschichte, die immer schrecklicher werden muss. Asli Ki_lal inszenierte das Stück nach einem Roman von Aglaja Veteranyi.

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