"Wie durch Fluch er mir geriet …“

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Sie haben keinen Wirbel und versuchen, diesen tunlichst auch zu vermeiden. Sie bevorzugen es, mit ziemlicher Geräuschlosigkeit zu kriechen und sich in ihrer Unauffälligkeit zu verkriechen. Sie haben ihr Rückgrat ihrer permanenten Haltungslosigkeit geopfert. Sie sind Wursteln, die sich durchwursteln. Sie vermeiden es, welche Fahne auch immer vor sich herzutragen und sind selbst ein Fähnlein im Wind.

Auf den Gipfeln der Macht schlussendlich herumtaumelnd auf Wolken mit irrationalen Zahlen und Summen jonglierend, Umwelt und Mitmenschen lächelnd von sich stoßend, als Müll in Deponien abladend. Zuversichtlich, grundsätzlich optimistisch und bar jeder Zuneigung, der großen Kälte gegenüber verpflichtet. Ein empfehlenswertes Menschenbild für die herrschende Unordnung. Der oder die ideale Angestellte. Geeignet für alle nur erdenklichen Transaktionen, Spekulationen und Hochrisikogeschäfte. Vor allem aber bestens geeignet für einen Job als Manager, Politiker, Aufsichtsrat. Kurz und gut als Lenker oder Lenkerin, der oder die sich auf angenehmste Art lenken lässt und die bestehende Unordnung bestens für seine oder ihre eigenen Interessen nützt.

Wer hätte gedacht, dass sich in den Eingeweiden des Wirbellosen, dieses seltsamen menschenähnlichen Wesens ohne Rückgrat, dieses verbreiteten und so gefragten Typs, jener Sprengstoff verbirgt, der unsere Systemlosigkeit einem vorhersehbaren Ende zuführen wird? Richard Wagner hat es prophezeit. Erst wenn das Gold von seinem Fluch befreit wird und die Natur wieder zu ihrem Recht kommt, gibt es für die Menschheit eine neue Chance. Zuvor gehen allerdings Götter samt ihren Burgen und entmenschte, von Gier besessene Lebewesen ihrem Ende entgegen. Die Wirbellosen, die uns umgeben, arbeiten fleißig daran. Nur jener seltsam veraltet anmutende Typ, der über ein Rückgrat verfügt, könnte eine Umkehr bewirken. Der ist allerdings nicht pflegeleicht und neigt zu Widerspruch, Kritik und Selbstkritik. Wer will sich heute schon mit so jemandem auseinandersetzen. Den Versuch wäre es allerdings wert.

Der Autor ist Kulturmoderator beim Privatsender ATV

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