Thema: Wirtschaftskrise
Eine Kirchenbank, die sich erschreckt aus dubiosen Veranlagungen zurückziehen musste, einerseits und andererseits ein Bischof, der mit kritischen Analysen zum Wirtschaftssystem aufhorchen lässt und noch dazu Marx heißt. Das Spektrum ist denkbar breit. Wo werden Kirchen und Religionsgemeinschaften stehen, wenn sich die Lage gesellschaftlich und global weiter zuspitzt?
Den Lehren und Wertsystemen nach sind sie den Armen verpflichtet, als Institutionen dagegen mit dem etablierten System verflochten. Und das in doppelter Weise: zum einen mit ihren „irdischen“ Gütern und Strukturen, wozu auch Angestelltenverhältnisse, Leistungsvereinbarungen mit der öffentlichen Hand und das Wohlwollen von Sponsoren gehören. Und zum anderen besteht ein großer Teil der Mitglieder und Anhänger aus denen, die zumindest noch einiges zu verlieren haben, wenn sich zu vieles zugunsten der Armen ändern sollte. Jedenfalls bei uns in Europa. Die Worte zum Sonntag und Botschaften zu Festtagen sind das eine, praktizierte Solidarität mit den Armen das andere.
Für Letzteres verweisen Kirchen- und Religionsgemeinschaftsleitungen (samt dem Großteil der Mitglieder) gerne auf Einzelpioniere in ihren Reihen. So lange diese sich nicht mit zu unsympathischen Armen beschäftigen und nicht beginnen, zu unbequeme Fragen nach den Ursachen der Verarmung von Menschen zu stellen. Die Wirtschaftskrise könnte die Gesellschaft noch stärker dreiteilen: in die, denen wieder die großen Gewinne gelingen. In die, die immer noch Arbeit und ein Auskommen haben und sich deshalb auch ruhig und „flexibel“ verhalten. Und in die still und leise Ausgegliederten. Und das Ganze nochmals im globalen Maßstab. Wo werden die institutionalisierten Religionen stehen? Wie wird ihr Kompromiss zwischen dem Auftrag aus ihrer Lehre und ihren „irdischen“ Interessen aussehen?
* Der Autor ist Pfarrer in Probstdorf und Universitätsseelsorger
