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ALFRED VERDROSS / EIN ÖSTERREICHISCHER JURIST

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Generationen von Juristen, die heute in führenden Positionen bei Staat und Wirtschaft tätig sind, legten mit zittrigen Knien ihre erste Universitätsprüfung bei Professor Alfred V er-dross-Drossberg ab, dessen glänzendem Vortrag auch stets zahlreiche Studenten anderer Fakultäten beigewohnt haben. Die Nervosität legte sich freilich bald, denn der Professor mit den freundlichen Augen hinter den blitzenden Brillengläsern wußte manches als richtig zu deuten, was unbeholfen und stockend aus dem Prüfling herauszubringen war. Etliche Semester später saß man Professor Verdross wieder gegenüber, selbstsicherer diesmal, hatte man doch schon Staatsprüfungen, vielleicht auch schon ein Rigo-rosum, hinter sich gebracht, doch nicht weniger aufgeregt. Und das Maß, das an das Wissen gelegt wurde, entsprach dem, was ein Kandidat der Rechtswissenschaften eben wissen mußte. Immerhin, trotz aller Strenge war Professor Verdross bei den Studenten geachtet und beliebt.

Der Tiroler Alfred Verdross-Drnssberg — am 22. Februar 1890 in Innsbruck geboren — mag vieles, was ihm die Achtung und Bewunderung seiner Hörer eingetragen hat, von seinem Vater geerbt haben. Dem Vater, dem k u. k. General Ignaz Verdross-Drossberg, haben seine Soldaten den Ehrennamen eines „Kaiserjägervaters“ verliehen. Doch nicht die Karriere in der Armee war es, die den Offizierssohn lockte: Nach Studien in Wien, München und Lausanne wurde Alfred Verdross 1913 zum Doktor iuris promoviert, mitten im Krieg, 1916, legte der junge Jurist die Richteramtsprüfung ab, um dann wieder an die Front zurückzukehren.

Der Zusammenbruch und das Ende des alten Reiches waren eine schwere Hypothek für das kleine, arme Österreich. Alfred Verdross war einer jener Männer, die mitgeholfen haben, diese Hypothek abzubauen: 1918 trat er in den diplomatischen Dienst ein und erlebte in unmittelbarer Nähe die zahlreichen Konferenzen und Sitzungen, die heute schon längst Geschichte sind.

1924 schied Sektionsrat Verdross aus dem Außenamt aus, um sein akademisches Lehramt als a. o. Professor an der Wiener Universität anzutreten. Und das sind die Stationen einer internationalen akademischen Karriere: 1928 Associe' de l'institut de droit international, 1931/32, 1946147 und 1958/59 Dekan der Wiener juridischen Fakultät, 1950 Membre de l'institut de droit international, im gleichen Jahr Mitglied der österreichischen Akademie der Wissenschaften, 1952 und 1958 bis 1960 Vicepresident und President de l'institut de droit international, 1951/52 Rektor der Wiener Universität. Außerdem ist Verdross Mitglied zahlreicher bedeutender juristischer Kommissionen. Diese Tätigkeit wurde durch die Verleihung von vier Ehrendoktoraten europäischer Universitäten anerkannt.

Publikationen Prof. Verdross' finden sich in juristischen Bibliotheken der ganzen Welt, seine völkerrechtlichen Untersuchungen werden immer wieder herangezogen, wenn es gilt, strittige Fragen dieser komplizierten Materie zu klären.

Eine ganze Generation österreichischer Völkerrechtslehrer ist durch Verdross ausgebildet worden. Die Tätigkeit österreichischer Völkerrechtler ist von den Vereinten Nationen mehr als einmal anerkannt und gewürdigt worden. Ein österreichischer Völkerrechtslehrer im Jubiläumsjahr der Wiener Universität: Einmal mehr ist die lebendige Kraft dieser 600 Jahre alten Tradition dokumentiert, f. s.

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