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Aufstieg und Untergang der deutschen Luftwaffe

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Zu spät? Von Werner Baumbach. Rlchard-Pflaum-Verlag, München. 328 Selten mit Anhang und Tabellen, 25 Bildtafeln und 12 Karten

Die so beliebte Nachkriegslegende, welche die einstigen Spitzen der deutschen Luftwaffe als geheime Instruktoren südamerikanischer Großmächte zu verherrlichen versucht, hat auch um Werner Baumbach ihre Rankünen gewoben. Dieser bekannteste und mit den höchsten Auszeichnungen geehrte Kampfflieger der deutschen Luftwaffe, dem als erstem Flieger in der modernen Kriegsgeschichte die erfolgreiche Bekämpfung von Schlachtschiffen gelang, wurde immer als der eigentliche Mentor einer neuerstehenden südamerikani-ichen Luftmacht in den Sensationsblättern genannt. Durch ein Interview in deutschen Zeitungen vor einigen Monaten lüftete Baumbach selbst sein Geheimnis und legt nun in seinem tiefgründigen Werk die erste Geschichte der deutschen Luftwaffe im vergangenen Weltkrieg dar. Er, der selbst heute als Berater großer Industrieunternehmungen in Südamerika tätig ist, weist jeden Gedanken an eine militärische Wiederverwendung von sich und konnte auch nach langen Vernehmungen in englischen und amerikanischen Gefangenenlagern ein Angebot nach Südamerika annehmen. In seinem Refugium entstanden die Aufzeichnungen, die mehr sind als die Tragödie einer Waffe, auf die das Dritte Reich eine so große Hoffnung setzte. Hier schreibt ein junger Flieger, der im Geist des Nationalsozialismus erzogen wurde, der Görings Wort von der Nation, die durch ihre Flieger Sieger bleiben müßte, blutig ernst nahm, ein Bekenntnis ohne Rücksicht auf Glorifizierung und nachträgliche Beschönigung der Tatsachen. Der beratende Historiker der amerikanischen Luftstreitkräfte, Dr. B. C. Hopper, hat Baumbach, der in seiner letzten Dienststellung als General der Kampfflieger wohl eine umfassende Kenntnis der Auswirkungen und Möglichkeiten des Luftkrieges besaß, zu diesem Buch veranlaßt. In genauester Darlegung der grundlegenden Irrtümer der deutschen Luftrüstung, die von Anbeginn durch den Gegensatz der Schwerpunktbildung zur Unterstützung der Landkriegsführung gegenüber den westlichen Ideen einer taktischen Luftwaffe und dem Ausbau einer überragenden Jägerwaffe gekennzeichnet war, gehen Baumbachs Darstellungen su einer umfassenden Schilderung de ganzen Kriegsgeschehens in der Luft über. Die Tragik einer jungen Fliegergeneration, die mit Idealismus glaubte, ihrer Heimat zu dienen, obgleich technischer Unverstand und das völlige führungsmäßige Versagen ihres eigenen Oberbefehlshabers nutzlos Blutopfer kostete, wird in dieser schonungslosen Kritik, die gleichzeitig Geschichtsschreibung im wahrsten Sinne darstellt, offenbar. Als längst der Krieg seinem Höhepunkt entgegenging, versuchte Baumbach und mit ihm Generaloberst Jeschonnek, wohl der klügste Kopf der deutschen Luftwaffe, die heillose Zersplitterung der Führung und der technischen Planung auf den Aufbau einer schlagkräftigen Jägerwaffe und einer taktischen Fernluftwaffe zu konzentrieren. Jeschonnek fiel durch eigene Hand unter dein Druck der auf ihm lastenden Verantwortung und Baumbach kam zeitweise in Ungnade, da er durch offene und freimütige Denkschriften den Beweis erbrachte, daß auch ein hoher Offizier vor einer rückhaltlosen Darstellung nicht zurückschrecken mußte. Die ganze Tragik der deutschen technischen Forschung, ihre Zersplitterung durch dilettantische Eingriffe Hitlers wird hier dokumentarisch belegt. Einen letzten Halt fand Baumbach in der Schlußphase des Krieges in Rüstungsminister Speer, der mit ihm übereinstimmte, daß der Zerstörung6befehl Hitler6 ein Verbrechen an der Zukunft des deutschen Volkes sei, und Baumbach versuchte, gemeinsam mit Speer, zu retten, was noch zu retten war.

Baumbach beschließt sein Werk, dessen dokumentarischer Charakter durch zahlreiche persönliche Denkschriften an Göring, Hitler und Milch zu einem historischen Dokument wird, mit einem Ausblick auf die Zukunft der Welt, wie sie ein Flieger sieht. Der Krieg hat Baumbach die Macht des Geistes, die Kraft des Glaubens an die Allgewalt Gottes gelehrt und in eindringlichen Worten mahnt er zur Besinnung auf Gott und die großen Uberlieferungen der christlich-abendländischen Kultur. Baumbachs Werk sollte vielen jungen Menschen gerade aus der Frontgeneration zur Kenntnis gebracht werden. Es scheint uns, daß hier mehr vorliegt als das Erinnerungswerk eines hochausgezeichneten Kampffliegers.

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