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Geschichte der Klassenkämpfe

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Voriges Jahr erschien in der Sowjetunion, herausgegeben vom Institut für Geschichte der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften, eine Geschichte Oesterreichs von 1918-1929, verfaßt von V. M. Turok, einem von ein paar Abhandlungen zur österreichischen Geschichte her bekannten sowjetischen Historiker. Das Buch hat 5 86 Seiten und trägt, wörtlich übersetzt, den für die sowjetische Geschichtswissenschaft typischen, unverbindlichen Titel: Skizzen der Geschichte Oesterreichs 1918—1929. Da es sich an die Spielregeln der marxistisch-leninistischen Geschichtsdarstellung hält, liefert es eine Geschichte der Klassenkämpfe auf österreichischem Boden und versucht mit wirtschaftspolitisch breit geratenen Begründungen die Lirsachen des Ausbleibens einer nach der Theorie fällig gewesenen proletarischen Revolution zu begründen.

Nach der Meinung des Autors seien im Herbst 1918 in Oesterreich alle objektiven Voraussetzungen für eine sozialistische Revolution vorhanden gewesen. Trotzdem sei es nur zu einer bürgerlichen Revolution gekommen. Es fehlte, sagt Turok, eine starke revolutionäre Partei, die die bürgerliche Revolution in eine „sozialistisch-proletarische“ umgewandelt hätte. Es werden verschiedene Gründe des Versagens der Oesterreichischen Kommunistischen Partei, der diese Rolle zugedacht war, hier angeführt: Der Widerstand des unversehrt gebliebenen bürgerlichen Staatsapparates, den die junge Republik von der Monarchie übernommen hatte, die intakt gebliebene Besitzstruktur auf dem Lande, das organisatorische Versagen der Oesterreichischen Kommunistischen Partei, hervorgerufen durch subjektive Momente, Unerfahren-heit in Dingen der Revolution, der ausgebliebene Widerhall auf dem Lande, vor allem aber der organisatorische und ideologische Einfluß der Sozialdemokratischen Partei, die die „Kunst der Phraseologie der Linken“ virtuos zu handhaben verstanden und ihre Tätigkeit als Kampf gegen das Bürgertum getarnt habe! Das österreichische Bürgertum habe es, wie es im Buche heißt, zuwege gebracht, auf dem Lande die Kirche und in der Stadt die Sozialdemokratie als Bundesgenossen für den Kampf gegen die Revolution zu gewinnen. Es sei zwar das österreichische „Proletariat“ nie besiegt, aber zu permanenten Rückzugsgefechten gezwungen worden. So sei der Oesterreichischen Kommunistischen Partei, der „einzigen wahren Vertreterin der Interessen des Proletariats“, während der ersten zehn Jahre der österreichischen Republik nur die „Rolle des Warnenden vor einer faschistischen Diktatur“ vorbehalten geblieben.

Auf weite Strecken stellt das Buch eine eindimensionale Geschichte der Kommunistischen Partei in Oesterreich dar, was durch die Einstellung und die Arbeitsmethode des Autors bedingt ist. Für uns liegt der Wert dieser Geschichte der Republik Oesterreich nur in der Menge und in der Art des hier verarbeiteten Materials. Neben der bei uns bekannten Literatur steht hier viel, als Quelle wichtiges politisches Tagesschrifttum vermerkt, da in unseren Bibliotheken und Archiven unauffindbar ist. Die abschließende Auseinandersetzung des Verfassers mit den einschlägigen Werken ist von der Doktrine diktiert und in den Fällen der „Geschichte Oesterreichs“ von H. Hantsch, des Buches „Vom Gestern ins Heute“ von F. Funder und der „Geschichte der Republik Oesterreich“, herausgegeben von H. Benedikt, besonders unsachlich.

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