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giuseppe saragat / der neue mann im quirinal

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JVach einer ungewöhnlich langen Wahl — die von ihre historischen Kenntnisse zeigenden politischen Beobachtern mit dem Konklave mittelalterlicher Papstwahlen verglichen wurde — konnte der Vorsitzende des italienischen Parlaments endlich das Resultat bekanntgeben: Mit 646 Stimmen war der amtierende Außenminister Giuseppe So-r ag at zum Staatsoberhaupt der Republik gewählt worden. Es hatte dreizehn Tage gedauert, bis der neue Mann im Quirinal festestanden hatte, 21 Wahlgänge waren notwendig gewesen, um Saragat zum Präsidenten zu machen. Dreizehn bewegte Tage, die im Endergebnis nicht ohne Demütigung für die Christlichen Demokraten abgelaufen waren, die das Scheitern ihres Zieles, der „Öffnung nach links“ durch ein „rechtsorientiertes“ Staatsoberhaupt ein Gegengewicht zu setzen, schließlich zur Kenntnis nehmen mußten.

Giuseppe Saragat ist der fünfte Präsident der italienischen Republik — seine Vorgänger waren die Liberalen de Nicola und Einaudi und die Christlichen Demokraten Gronchi und Segni —, er ist der erste Sozialist und der zweite Piemontese im Quirinal. Wie sein Vorgänger Einaudi, stammt der am 19. September 1898 in Turin geborene Saragat aus jener Region, die den größten Anteil an der nationalen Einigung Italiens gehabt hat, ist doch betontes Staatsgefühl seit jeher eine der Haupteigenschaften aller piemontesischen Politiker. Saragat besuchte die Handelshochschule seiner Vaterstadt und promovierte 1920 zum Doktor der Handelswissenschaften. Schon als Student hatte er sich der sozialistischen Bewegung angeschlossen.

Der Faschismus vertrieb Saragat aus der Heimat. Er verbrachte einige Jahre in Wien — wo übrigens seine Tochter geboren umrde — und ging dann nach Paris. Beim Einmarsch der deutschen Truppen in Frankreich mußte er sich in einem kleinen Pyrenäendorf verbergen, bis er schließlich 1943 nach Italien zurückkehren konnte. Schon 1944 gehörte er der italienischen Regierung an, war 2945/46 Botschafter in Paris und wurde nach seiner Rückkehr Mitglied dis Parteivorstandes der italienischen Sozialisten.

Die Gegensätze zwischen Saragat und seinem Freund, Gegenspieler und Konkurrenten, Pietro Nenni, wurden immer größer, immer unüberwindlicher. Am 12. Jänner 1947 gründete Saragat die Italienische Sozialistische Arbeiterpartei, aus der nach Vereinigung mit anderen sozialistischen Gruppen 1951 die Sozialdemokratische Partei Italiens wurde.

Nach einer glanzvollen Karriere als Präsident der verfassunggebenden Körperschaft, als stellvertretender Ministerpräsident und Minister in den Regierungen de Gasperi, Scelba und Segni, wurde Saragat Außenminister im. Kabinett der linken Mitte Aldo Moros. Und hier hatte Saragat Gelegenheit, unmittelbar mit Fragen der österreichischen Außenpolitik Kontakt zu bekommen: Denn der reichlich verfahrene Karren der italienischen Südtirolpolitik wurde mit Sara-gats Hilfe ein großes Stück weitergeschoben, näher einem Ziel zu, das eine friedliche Lösung mit sich bringen könnte.

Die Wahl zum Präsidenten der Republik bildet die Krönung der politischen Laufbahn des Sechsundsechzigjährigen, der seine politischen Ideen immer sehr eindeutig verfolgt hat: Saragat galt stets als Verfechter des atlantischen Verteidigungsbündnisses und hat sich vor allem um eine konstruktive Europapolitik sehr verdient gemacht.

Der Verlust, den Ministerpräsident Moro durch das „Avancement“ seines Außenministers erlitten hat, ist groß. Immerhin erhält das Land einen Staatspräsidenten, von dem man sicher ist, daß er — u>ie der Italien-Korrespondent der „Furche“ in der letzten Nummer des vergangenen Jahres schrieb — die moralische Festigkeit besitzt und extremistischen Drohungen ohne schwankend zu werden und ohne auf persönliche Rücksichten zu achten und ohne ideologische Träumereien entgegentritt.

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