Zygmunt Bauman - © commons.wikimedia.org

Zygmunt Bauman: "Die Angst vor den anderen" - Der Preis der Leistung

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Was ist passiert, fragt Zygmunt Bauman in seinem 2016 bei Suhrkamp erschienenen Essay "Die Angst vor den anderen". Die Unsicherheit des menschlichen Daseins wurde privatisiert.

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Was ist passiert, fragt Zygmunt Bauman in seinem 2016 bei Suhrkamp erschienenen Essay "Die Angst vor den anderen". Die Unsicherheit des menschlichen Daseins wurde privatisiert.

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Sichere Arbeitsplätze? Vorhersehbares Einkommen? Lebensentwürfe, die darauf bauen, gehören der Vergangenheit an. Die gegenwärtige Gesellschaft fordert Leistung, Leistung, Leistung - und produziert dabei Depressive und Versager. Selbst schuld, heißt es, wenn einen das Schicksal schlägt. Und wer nicht Schritt halten kann, tut das seine noch dazu: beutet sich aus, quält sich selbst.

Was ist passiert, fragt Zygmunt Bauman in seinem 2016 bei Suhrkamp erschienenen Essay "Die Angst vor den anderen". Die Unsicherheit des menschlichen Daseins wurde privatisiert. Der Einzelne wurde mit Problemen beladen, die zu lösen er alleine nie und nimmer imstande ist. Versuchte Gesellschaft früher vielleicht eine kollektive Versicherung gegen die Risiken des individuellen Lebens zu versprechen, so rückt sie davon nun immer weiter ab. Sie lässt den Einzelnen im Stich - er möge sich bitte selbst kümmern. Da steht er nun, der Einzelne, und soll auch gesellschaftlich produzierte Probleme selbst lösen. Wie denn?

Kein Wunder, dass Menschen zunehmend das Gefühl bekommen, "den Irrungen und Wirrungen des durchindividualisierten Lebens nicht gewachsen zu sein". Ein Gespenst gehe um, meint Bauman, es ist "die Angst, sich selbst als ungenügend - unfähig und ineffizient - zu fühlen, und die Angst vor den unmittelbaren Auswirkungen dieser Einsicht - dem Verlust der Selbstachtung - sowie ihren wahrscheinlichen Folgen: Ablehnung, Verbannung und Exklusion".

Ist es möglich, dass diese existenzielle Unsicherheit, die Angst vor dem eigenen Ungenügen, nicht nur passiv zugelassen wird, sondern von Machthabern und Nach-Macht-Strebenden sogar aktiv geschürt wird, wie Bauman behauptet? Auf eine in lauter Einzelne zerfallene Gesellschaft kann sich die Macht jedenfalls verlassen: Die vom Wissen um das eigene Ungenügen Geplagten suchen gerne Erlösung bei selbstgewählten Göttern.

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