Man kommt gar nicht so einfach wieder heraus, aus dem Rauriser Tal, ohne Auto. Busse fahren sonntags spärlich und so ist man auf die Hilfe anderer angewiesen, auf Mitfahrgelegenheit. Dasselbe gilt fürs Ankommen. Bis nach Taxenbach geht's mit der Bahn. Dann hat man so eine Art kleinen Berg zwischen sich und Rauris. Bekommt man aber Hilfe, ist leicht gut ankommen.Dann zeigt sich das Rauriser Tal von atemberaubender Schönheit, vor allem wenn das Wetter mitspielt. Zwar sind die Bäume Ende März hier noch kahl, aber die weißen Gipfel, vor allem der mächtige Sonnblick am Ende des Tals, heben
Vor 56 Jahren schrieb James Baldwin seine immer noch aktuellen Essays
"The Fire Next Time". Rassismus und die Gegenkraft der Liebe
thematisiert auch die Romanverfilmung "Beale Street".
Es ist eine kleine Episode, kurz nach der Mitte des Romans. Ein Autofahrer sieht, wie ein Mann eine Frau angreift, diese schreit um Hilfe: "Rufen Sie die Polizei!" Der herbeigerufene Polizist sagt zum Zeugen: "Ach, die kennen wir" und: "Das ist nur ein Ehestreit." Und fährt, ohne einzugreifen.Die kurze Szene tippt ein Motiv an, dem Julian Barnesʼ neuer Roman "Die einzige Geschichte" zwar nicht viele Worte widmet, aber kaum Worte bedeutet nicht, dass etwas nicht da ist. Gewalt gegenüber der eigenen Frau und das Wegsehen und Schweigen -das ist heute immer noch ein Thema und war es auch in der
Diplomatische Raffinessen und Tausende Briefe: Robert Koldewey
organisierte für die Deutsche Orientgesellschaft die Grabungen in
Babylon. 100 Jahre später widmet ihm Kenah Cusanit ihren ersten
Roman.
Gegenwärtige politische Fragen in Literatur zu verarbeiten, ist ein heikles Unterfangen. Die Nähe zu Ereignissen und Meinungen schafft oft eher blinde Flecken. Manche Zusammenhänge werden erst im Rückblick und aus der Distanz erkennbar.Noch schwieriger wird es, wenn Polarisierungen die politische Debatte prägen. Den Zuschreibungen aller Art ist schwer zu entkommen, politisch "engagiert" zu schreiben kann leicht dazu führen, der einen oder anderen Position einseitig zuzuarbeiten, selbst wenn das keine Absicht war. Dann lauert auch noch die Gefahr des Moralisierens. Literatur wird nicht
Nennt man den Namen Alois Brandstetter, bekommt man oft sofort zu hören: Ach, ja, "Zu Lasten der Briefträger"! Doch den Autor auf diesen 1974 erschienenen Roman zu reduzieren, würde ihm nicht gerecht, zu groß und breit ist sein Werk, unter anderem: "Die Abtei"(1977),"Altenehrung"(1983),"Hier kocht der Wirt"(1995),"Der geborene Gärtner" (2005),"Kummer ade!"(2013);"Aluigis Abbild"(2015). Mit "Vom Schnee der vergangenen Jahre"(1979) und "Über den grünen Klee der Kindheit"(1982) führte der am 5. Dezember 1938 in Aichmühl bei Pichl bei Wels als Sohn eines Mühlenbesitzers Geborene in seine
Bücher muss man ja nicht immer auf der ersten Seite zu lesen beginnen. Wo bliebe denn da die Freiheit der Leserin. Nett, wenn einer beim zufälligen Aufschlagen nicht nur Text, sondern auch eine Zeichnung entgegenschmunzelt. Sie zeigt ein Buch, und dieses trägt am Rücken den Titel "Was wäre die Aufgabe der Literatur?" Einfache Frage, schwierige Frage. Ilse Kilic, die 2016 den Veza-Canetti-Preis erhalten hat, wäre nicht Ilse Kilic, wenn sie nicht auch in "Das Buch, in dem sie Kontakt aufnehmen"(Ritter 2018) als Autorin Ilse Kilic durch den Text wandern und dabei mit solchen und ähnlichen
Der unfassbare Tod des eigenen Kindes, im Hintergrund die Schlachten
des amerikanischen Bürgerkriegs. George Saunders schrieb mit "Lincoln
im Bardo" ein erstaunliches Romandebüt und wurde dafür mit dem Man
Booker Preis ausgezeichnet.
Vor 200 Jahren, am 30. Juli 1818, wurde im englischen Thornton die
Schriftstellerin Emily Brontë geboren. Die jüngere Schwester von
Charlotte Brontë wurde nur 30 Jahre alt, hinterließ aber mit ihrem
einzigen Roman ein bis heute faszinierendes Stück Weltliteratur.
Vor sieben Jahren erst begann Tanja Maljartschuk in Wien Deutsch zu lernen. Ihre Literatur ("Neunprozentiger Haushaltsessig","Biografie eines zufälligen Wunders", beide im Residenz Verlag) schrieb sie auf Ukrainisch und größere Texte wird sie - vorerst -auch weiterhin in ihrer Muttersprache schreiben. Kolumnen und zwei kürzere Erzählungen hat sie allerdings bereits auf Deutsch verfasst. "Frösche im Meer" ist der dritte Text, sie reichte ihn bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur ein. Ganz erleichtert, "dass wir endlich eine richtige Geschichte haben", zeigte sich Juror Michael
Der Großkritiker lebt, und er gibt sich selbstbewusst wie eh und je. Wenn er spricht, nimmt Burkhard Spinnens Gestik geradezu reich-ranickimäßige Züge an: Der Zeigefinger wird ebenso erhoben wie die belehrende Stimme. Und als Schiedsrichter verteilt Spinnen Fouls, vor allem gegen Kritik, die sich gegen ihn richtet.Was hat man sonst von der diesjährigen Bachmann-Preis-Jury erfahren? Enttäuschend wenig über Sprache und Ästhetik der besprochenen Texte, dafür sehr viel über das frühere Leben der Juroren. Ursula März hat in jungen Jahren als Zimmermädchen in den Zimmern von Ajax
Abschieben: das heißt wegschieben, hinausschieben aus dem Rahmen und dem Blickfeld unserer Gesellschaft. Das klingt banal, hat aber entsetzliche praktische Folgen.Unter all den Unworten der vergangenen Jahre sticht "Abschieben" besonders hervor. Es verspricht Problemlösung und schafft doch nur neue Probleme. Abgeschoben werden sollen Flüchtlinge von EU-Staat zu EU-Staat, bis sie sich wieder an einer EU-Außengrenze finden. Als im Meer Aufgesammelte sollen sie an Afrikas Küsten ausgeladen werden. Diskutiert werden Vorschläge, EU-Auffanglager in Nordafrika zu errichten -dabei haben diese
Die Gegenwart? Sie ist trügerisch, weiß Olga Martynova. Im Unterschied zu Politikern und Journalistinnen, die sich von Berufs wegen mit der so flüchtigen Gegenwart auseinandersetzen müssen, sollten Schriftstellerinnen und Schriftsteller das nicht unbedingt tun, ja, sie sollten sich "den Luxus leisten", die medial vermittelten Bilder zu ignorieren. "Denn Aktualität ist eine tückische Sache." Martynova erinnert an Jean Amérys Essay "Terror der Aktualität": Der "Beschleunigungs-und Abwechslungszwang" führt "zu gefährlicher Belanglosigkeit der Information [ ] und letztendlich zu
Nach der Lektüre von ein paar Seiten Text von Flannery O'Connor sitzt man grübelnd da - und beginnt möglicherweise von vorne.Flannery O'Connor arbeitete sich an der Erbsünde ab. An Mord und Totschlag, Gewalt und Tod. Literatur könne nicht gedeihen in einem Klima, 'in dem der Teufel nicht wahrgenommen wird'.USA, Südstaaten. Vater, Mutter, Kinder und Großmutter machen einen Ausflug mit dem Auto. "Tennessee ist bloß ne Müllhalde für Hinterwäldler", schimpft das Kind, "und Georgia ist genauso ein blöder Staat." Die Großmutter hält dagegen: "'Zu meiner Zeit', sagte die Großmutter und
Wenn er Mythen, Sagen oder Geschichten aus der Bibel erzählt, hängt das Publikum begeistert an seinen Lippen. Michael Köhlmeier gehört zu den bekanntesten Erzählern Österreichs. Harmlos ist nicht, was die alten Geschichten berichten, angefangen beim Brudermord. Aber es scheint weit genug weg zu sein, um nicht all zu sehr zu verstören. In einer nebulosen, märchenhaften Zeit, gerichtet an eine unbestimmte Allgemeinheit. Nichts, was uns hier und jetzt so angeht oder angehen sollte, dass es Teil des politischen Diskurses werden müsste. (Welch ein Irrtum aber in Bezug auf alte Texte und
Seit 2014 erinnern Sachbücher, Gedenkveranstaltungen und Medien beiträge an die Gräuel des Ersten Weltkrieges. Der Literatur sind andere Blicke möglich. Sie kann auf Landschaften blicken, in denen nach den Schlachten verkohlte Baumstümpfe stehen bleiben, aber auch in die Seelen. Dort hat der Krieg besondere Massaker angerichtet. Davon erzählen einige Romane der 1943 in Thornaby-on-Tees geborenen englischen Schriftstellerin Pat Barker. In "Niemandsland"(1991, dt. 1997) sucht sie ein Hospital bei Edinburgh auf. Dort behandelte der Arzt W. H. R. Rivers mit für seine Zeit beeindruckenden
Martin Luther King kämpfte vor 50 Jahren gegen die Rassentrennung in den USA. Abwertungen und Ausgrenzungen aber dauern an. Literatur kann sie befördern - doch sie kann sie auch sichtbar machen und rassistische Blicke scheitern lassen.
Die Notwendigkeit, die Sklaven zu einer fremden Art zu erklären, scheint ein verzweifelter Versuch zu sein, sich seiner eigenen Normalität zu versichern. (Toni Morrison)Der Rechtshistoriker James Q. Whitman blickt nicht nur in eine schreckliche Geschichte, er stellt auch unangenehme Fragen an die Gegenwart."Selbst radikalen Nazis waren die amerikanischen Rassengesetze Anfang der 1930er-Jahre manchmal zu rassistisch." Sätze wie diese hört man in den USA vermutlich nicht gerne und so verwundert es auch nicht, dass James Q. Whitman, Rechtshistoriker an der Yale Universität, dann auch
"Was sich gehört, schlägt sich in Sprichwörtern nieder, die die Kinder zu sich nehmen wie das tägliche Brot. Wie überhaupt Sprache als Nahrungsmittel das Ihre tut."Eindrücklicher und aussagekräftiger hätte ein Schriftsteller sich dieses Bild nicht ausdenken können: In einem Feld wurde ein österreichischer Kriegsverbrecher begraben, der 1945 Selbstmord begangen hatte. Jahrzehntelang wächst Gras darüber, sowie Mais, Erdäpfel und Getreide, jahrzehntelang lebt die Bevölkerung von den Früchten dieser derart kontaminierten Erde.Der Massenmörder speist die Nahrungskette: Die
"Nicht-Amerikaner, Nicht-Weiße, Nicht-Christen, Nicht-Männer, Nicht-Arbeitende Erst wird über Ausschlüsse gesprochen -und schon sind sie da und heißen: Konzentrationslager."Dieser Präsident ist vor allem ein genialer Schauspieler. Doch noch wichtiger ist "seine ungewöhnliche Fähigkeit, echt erregt zu sein durch seine Zuhörer und mit ihnen und sie durch ihn und mit ihm." Abgesehen davon, ist er aber ein ziemlicher Durchschnittsmensch. "Oh, er war durchschnittlich genug. Er besaß jeden Nachteil und jedes Verlangen eines jeden amerikanischen Durchschnittsbürgers. [ ] Er hielt den
Füreinander Einstehen war hierzulande doch ein anerkanntes Ideal. Nicht, dass es stets gelungen wäre, aber als Prinzip schien es nicht in Frage gestellt. Dem Wissen, dass wir aufeinander angewiesen sind, entsprach das System Umverteilung. Es galt nicht zu zählen, wieviel man hineingibt und wieviel man herausbekommt, sondern dafür zu sorgen, dass es möglichst allen hilft, möglichst gut zu leben. Das ist nicht unbedingt sozialistisch, das kann man auch christlich nennen oder konservativ oder sinnvoll. Denn eine Gesellschaft, die nicht danach lebt, wird über kurz oder lang Probleme
Regelmäßig vor Weihnachten werde ich gebeten, Buchempfehlungen auszusprechen, regelmäßig fühle ich mich in solchen Momenten zunächst, als hätte ich im vergangenen Jahr kein einziges Buch gelesen. Das mag an der Menge der eben doch gelesenen Bücher liegen, es hängt aber auch damit zusammen, dass Literaturkritik betreiben etwas anderes ist als Kaufempfehlungen auszusprechen. Werbung und Marketing sind nämlich gerade nicht Aufgabe der Kritik. Empfehlungen richten sich zudem an ganz bestimmte Adressaten: Was man dem einen ans Herz legen mag, das kann für den anderen gar nicht passen -
'Es steht in der Tat in der Macht der Gesetzgeber, in jedem Kirchspiel des Königreichs eine Schule zu gründen', forderte Jonathan Swift in einer Predigt.Jonathan Swiftgeboren am 30. november 1667 in Dublin, gestorben am 19. oktober 1745 ebendort: sechzehn Bände umfasst die standardausgabe seiner Prosaschriften.Gullivers ReisenEmpfehlenswert sind die Übersetzungen von Hermann J. Real und Heinz J. Vienken (Reclam) und Christa Schuenke (Manesse).'Mein Hauptziel in allem, was ich bei meiner Arbeit auf mich nehme, ist, der Welt eher wehzutun als sie zu unterhalten', schrieb Jonathan Swift 1725
LiteraturtageDas Literaturfestival findet jedes Jahr im Herbst statt. Begegnungen, Lesungen und Gespräche bringen internationale Literatur in O-Tönen in die Wachau."Dass früher alles besser war, gegen diese Behauptung hilft immer ein Blick in die Geschichte. Aber er zeigt auch die Wiederkehr bekannter Probleme -etwa Kämpfe um Macht und Vorherrschaft."Wenn man an einem trüben Novembertag mit dem Bürgermeister durch die Marktgemeinde Spitz geht, lässt sich trotz Nebel und Kälte schwer nachvollziehen, was es für die Bewohner bedeutet haben mag, als 1620 die kaiserlichen Truppen
In ihrem Erzählband "Autolyse Wien" zeichnet Karin Peschka ein zerstörtes Wien. Menschen wurden von einer nicht näher benannten Katastrophe aus Alltag, Träumen und Plänen gerissen und versuchen in dieser Verwüstung zu überleben. DIE FURCHE: Autolyse, das ist die Selbstauflösung abgestorbener Zellen mittels Enzyme. Wie kommen Sie zu diesem Titel? Karin Peschka: Der Titel war ganz am Anfang da. Ich habe eine Dokumentation gesehen oder gehört. Es ging um diesen Prozess der Auflösung, wenn ein Organismus stirbt. Ich fand das spannend und das Wort sehr schön und da ist's gleich
Was ist eine literarische Narration? Worte, Worte, Worte. Aneinandergereihte Worte, die Sätze bilden. Sätze, die Details beschreiben, die wir nicht sehen - nun aber doch, die Personen vorstellen, die es nicht gibt - nun aber doch, die Handlungen entwerfen, die unmöglich erscheinen und nun -hier in diesem Text -aber doch möglich sind. Literarische Narration ist Sprache -und doch immer mehr als nur Sprache. Mehr auch deswegen, weil sie gelesen werden will und wir im Lesen -ja, was tun wir da? Den Text weiterschreiben, sagen die einen, den Text überhaupt erst erschaffen, sagen die anderen,
Kunst und Kirche -sobald dieses Verhältnis hierzulande angesprochen wird, fällt sogleich der Name Otto Mauer. Mit der 1954 gegründeten Galerie St. Stephan, später Galerie nächst St. Stephan, rettete der Priester die jahrhundertealte Beziehung von Kirche und Kunst in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts. 1980 gelangte seine Sammlung von 3000 Werken durch einen Schenkungsvertrag an das Wiener Dom-und Diözesanmuseum, das historisch orientiert war und sich sakralen Kunstschätzen widmete.Von dem seit 1981 jährlich vergebenen Otto Mauer Preis und von Initiativen wie jenen des Jesuiten
Spaniens Kultur blühte, als Juden, Moslems und Christen noch zusammenlebten. Juan Goytisolo wurde nicht müde, das zu betonen, und seine Essays thematisierten ebenso wie seine Romane, dass Spanien dieses Erbe ruinierte; dieser Exorzismus "kappte unserer Kultur die Masten, fegte die Fakultäten der Wissenschaft und Gelehrsamkeit weg, nahm dem intellektuellen Leben die Luft zum Atmen und gewährte Spanien im Namen der religiös-ideologischen Vereinheitlichung und Reinheit des Blutes einen langwährenden Urlaub von der Geschichte". Auch die Romankunst ging damals verloren, so der 1931 in
Man kann zwar die Eheringe der Eltern eingipsen, aber nicht die ganze
Familie, auf dass sie für immer zusammenbleibe. Katholischer Kinder-
und Jugendbuchpreis der Deutschen Bischofskonferenz für "Gips".
1990 wurde der Geschäftsmann und Diplomat Jaballa Matar entführt und
an Gaddafi ausgeliefert, 2012 bricht der Schriftsteller Hisham Matar
nach Libyen auf, um seinen Vater zu suchen, um vielleicht wenigstens
Knochen zu finden "und ein Gebet zu singen".
Von 29. März bis 2. April verwandelte sich die Salzburger
Marktgemeinde Rauris wieder in eine Literaturmetropole. Das Thema der
heurigen Literaturtage - der Körper, die Sprache und die Beziehung
von beiden -lud zur Grenzüberschreitung auch in die Medizin ein.
Bodo Hell auf den Spuren von Heiligen und Reliquien: In der Wiener
Alten Schmiede präsentierte er sein neues Buch "Ritus und Rita", Götz
Bury stellte Kunst dazu und Brigitte Schwens-Harrant sprach die
Einführung. Leicht gekürzter Abdruck ihrer Rede.
In seinem erst im Vorjahr erschienenen Buch "Die Welt im Rücken"
erzählte Thomas Melle seine Erfahrungen als "Bipolarer". Jan Bosse
brachte nun im Wiener Akademietheater den Text und die Abgründe, von
denen er erzählt, auf die Bühne.
Nacht für Nacht darauf warten, abgeholt zu werden; Reden halten, die
der eigenen Meinung widersprechen; einer Partei beitreten, der man
sich nie anschließen wollte: Julian Barnes erkundet das tragische
Leben des Komponisten Dmitri Dmitrijewitsch Schostakowitsch.
Was ist passiert, fragt Zygmunt Bauman in seinem 2016 bei Suhrkamp erschienenen Essay "Die Angst vor den anderen". Die Unsicherheit des menschlichen Daseins wurde privatisiert.
Mit "Das offene Boot" schrieb er sich vor über einem Jahrhundert in die Literaturgeschichte ein. Die Erzählungen von Stephen Crane, die soeben erschienen sind, beeindrucken nicht nur als schönes Buch, sondern vor allem aufgrund der Schreibkunst des Autors.
Jane Austen hatte Humor - und Whit Stillman weiß ihn in Szene zu
setzen: "Love & Friendship", Stillmans Verfilmung des Romans "Lady
Susan", sorgt für geistreiche Unterhaltung.
Wie ist es um Ethik in Zeiten rasanter Globalisierung und unübersichtlicher Geldflüsse bestellt? Nicht sehr gut, erzählt Nir Baram in seinem Roman "Weltschatten", und Überblick gibt's auch keinen.
"Wer Gedichte von Friederike Mayröcker liest, kann immer wieder neu beginnen und fragen: Was sind Worte? Kann auch fragen: Sind die Worte und Wörter wie Vögel in der Welt unterwegs?" Was Peter Waterhouse in einem wunderbaren Essay über Friederike Mayröckers Gedichte schreibt und fragt (in "Der Fink", Matthes & Seitz 2016), würde man am 8. November gerne als Laudatio gehalten haben. Da erhielt Friederike Mayröcker nämlich - ganz ohne Laudatio - im Kasino am Schwarzenbergplatz den ersten Österreichischen Buchpreis. Der Preis für das beste Debüt ging an Friederike Gösweiner für ihren
Es beginnt mit staunenden Blicken. Mit der Wirkung eines Bildes in den Gesichtern seiner Betrachter. Regisseur José Luis López-Linares filmt Museumsbesucher, die vor Hieronymus Boschs "Garten der Lüste" stehen -und schauen und schauen. Ein passender Zugang, angesichts eines Gemäldes, das seit Jahrhunderten fasziniert und nie zu Ende interpretiert sein wird, bei dem derart viel zu sehen ist - und trotzdem so viel nicht zu sehen ist.Diese Wechselwirkungen -vom Bild zum Betrachter und retour - sind es, die López-Linares interessieren und die in ihrer Pluralität die Wahrnehmung dessen, was
In den vergangenen Monaten beschlich mich immer wieder das Gefühl, als befände ich mich in einem Rechenzentrum - und hätte nur mehr die Wahl zwischen 0 und 1. Wo ich auch hinsah, was ich auch las: binärer Code. Einzig mögliche Antwort und Verhaltensweise: richtig oder falsch, links oder rechts, gut oder böse. Ein Drittes oder gar Komplexität: selten zu sehen, weder in der Politik, noch in den Medien.Nun ist der Mensch ja überhaupt, nicht erst in den vergangenen Monaten, ein recht polarisierendes Wesen. Tag/Nacht, Gut/Böse, Schwarz/Weiß, so funktionieren nicht nur Märchen und
"Dauernd wurden mir meine Rezensionssätze aus den Händen geschlagen, denn die Verse Wührs bieten keinen Halt", schrieb Wendelin Schmidt-Dengler 2007 in der FUR-CHE, nachdem er sich durch über 300 Seiten "Dame Gott" gelesen hatte. Ja, Paul Wühr machte es selbst lyrikgeschulten Germanisten nicht leicht. Und doch schenkte er Leichtigkeit, mit seinen satzzeichenlosen Gedichten, mit seiner so schwebenden Syntax. Auszulesen waren und sind Wührs Texte jedenfalls nicht. Bei immer neuen Leseanläufen tut sich Neues auf und nicht nur Lesegewissheiten zerbröseln. Geschlossene Poesie? Keinesfalls.
Diskursiv, dann wieder subversiv-ironisch, dann wieder dokumentarisch
nähert sich die Ausstellung der Wiener Festwochen dem Thema
"Universal Hospitality".
Mit der "Markus-Version" hat der ungarische Schriftsteller Péter
Esterházy ein ernsthaftes und trauriges, leichtes und schweres,
wichtiges und schönes Buch geschrieben.
Vor 55 Jahren wurde die Österreichische Gesellschaft für Literatur
gegründet. Geschäftsführer Manfred Müller im Gespräch über
Literaturvermittlung, Subventionen und Veränderungen.
In einem Sanatorium in Kierling/Klosterneuburg starb 1924 ein
bedeutender deutschsprachiger Autor: Franz Kafka. Ein Studien-und
Gedenkraum erinnert daran.
Satire auf Ritterromane? Ja, aber noch viel mehr: Mit seinem
berühmtesten Werk hat Miguel de Cervantes 1605 einen auffallend
modernen Roman veröffentlicht.
"Ich habe meine beiden Romanzyklen aus Scham geschrieben und aus Besessenheit von Literatur. Jetzt, fast 40 Jahre später, hat sich an meiner Scham nichts geändert", sagt Gerhard Roth im 2015 erschienenen Interviewband "Reise ins Unsagbare". In diesen beiden Zyklen habe er sich in sein "eigenes Angstzentrum begeben", sie seien "Berichte von diesen Höhlenwanderungen". Drei Jahre vor Kriegsende, am 24. Juni 1942 in Graz geboren, wuchs Roth in der Zeit des großen Schweigens auf. Das Medizinstudium brach der Sohn eines Arztes und NSDAP-Mitglieds ab, bis 1977 arbeitete er als Programmierer und
Er schrieb faszinierend präzise Prosa und griff neue psychologische
Erkenntnisse auf: Vor 100 Jahren starb mit Henry James ein
bedeutender amerikanischer Schriftsteller.
Berühmt machte ihn sein Kriminalroman "Der Name der Rose". In seinen "Gelegenheitsschriften" analysierte Umberto Eco die Gesellschaft der Gegenwart. Ein Nachruf.
Vor 130 Jahren erschienen, fasziniert "Der merkwürdige Fall von Dr.
Jekyll und Mr. Hyde" heute noch: wegen des erstaunlichen Blicks in
menschliche Abgründe.
David Grossmans neuer Roman "Kommt ein Pferd in die Bar" beginnt zwar
als Standup-Comedy, erweist sich dann aber als berührende Erzählung
über Tod und Trauer.
Für "The Age of Innocence" ("Zeit der Unschuld") erhielt Edith
Wharton 1921 den Pulitzerpreis. Andrea Ott hat den Roman nun neu und
erfrischend übersetzt.
Schriftsteller "lesen die Symptome der Welt; selbst wenn sie nichts
davon wissen wollen", schrieb Ulrich Peltzer in seinen Frankfurter
Poetikvorlesungen. Das Ergebnis seiner Symptomlektüre liest sich
ebenso gruselig wie großartig, im Roman "Das bessere Leben".
Wen kümmert's, wer spricht, hat jemand gesagt, wen kümmert's, wer spricht", zitierte Michel Foucault in seinem Vortrag "Was ist ein Autor?" Samuel Beckett, um danach über die "Funktion Autor" zu sprechen. Aus gegenwärtiger Sicht, Jahrzehnte danach, kann man nur antworten: Alle kümmert's, wer spricht. Ein Werk von Peter Handke etwa wird völlig anders wahrgenommen als das einer Debütantin, deren Namen noch niemand kennt. Der Name macht das Werk. Dass es auch nicht egal ist, ob's eine Frau ist oder ein Mann, die oder der Kunst macht, erzählt Siri Hustvedts empfehlenswerter und ebenso
Engagierte Kunst? Inhalte statt Gestaltungswillen? Intellektuelle
Handstände? Peter Baum, international renommierter Kunstvermittler,
im FURCHE-Gespräch über die bildende Kunst der Gegenwart.
Alte Abbildungen zeigen es: Das Problem schreibender Frauen im 19. Jahrhundert begann bei der Kleidung. Denn die steif-gebauschten Röcke passten nicht unter die Tischplatte, und so mussten die Autorinnen eigentlich neben dem Tisch sitzen und in gekrümmter Haltung arbeiten. Doch abgesehen "von diesen lebenspraktischen Sonderproblemen hatten Autorinnen vor allem mit strukturellen Widerständen zu kämpfen", schreibt Evelyne Polt-Heinzl in ihrem grandiosen Buch "Ringstraßenzeit und Wiener Moderne. Porträt einer literarischen Epoche des Übergangs"(soeben im Sonderzahl Verlag
Migration und Integration andersrum: In Feridun Zaimoglus neuestem
Roman "Siebentürmeviertel" muss sich nicht ein türkisches Kind in
Deutschland zurechtfinden, sondern ein deutscher Bub sucht in der
Türkei eine neue Heimat - und einen neuen Vater.
Anfang 2014 erfuhr Henning Mankell von seinem Tumor. Sein neues Buch
"Treibsand" ist auch eine Auseinandersetzung mit der schweren
Krankheit. Am 5. Oktober ist der schwedische Schriftsteller 67-jährig
in Göteborg gestorben. Ein Nachruf.
"Vier Kritiker, vier Bücher, keine Einspielfilme und keine Einigkeit" - das sei das Prinzip des Literarischen Quartetts gewesen und nun auch der Neuauflage der legendären Literaturkritiksendung. Also sprach Volker Weidermann, der neue Moderator. Das Literarische Quartett lebte seinerzeit zuletzt vor allem von der Rollenverteilung: Marcel Reich-Ranicki kam mit großer Geste auch ohne Argumente aus, Hellmuth Karasek assistierte, Sigrid Löffler opponierte (bis es zum großen Zerwürfnis kam) und der jeweilige Gast versuchte, doch irgendetwas Kluges über das jeweilige Buch zu sagen.Die
Michel Houellebecq entlarve in seinen Romanen das liberale
Wirtschaftssystem, meinte der französische Wirtschaftswissenschafter
und Publizist Bernard Maris und schrieb darüber ein Buch.
"Dies ist ein ganz wichtiges Buch, ein wichtiger Autor, und es erscheint in einem kleinen Verlag. ... Und ein so bedeutender Autor, ich habe von ihm, ich gebe es zu, bisher nichts gewusst." Also sprach Marcel Reich-Ranicki am 5. Juni 1998 im "Literarischen Quartett" über Rafael Chirbes' Roman "Der lange Marsch". Dieses Urteil bedeutete für den spanischen Autor - zuvor waren schon zwei seiner Werke übersetzt worden - den Durchbruch in Deutschland.Sein 15 Jahre später erschienener Roman "Am Ufer" beschreibt Spanien als bankrotte Schutthalde, die darin beschriebene Landschaft gleicht "einem
Vor 20 Jahren starb der Schriftsteller Michael Ende. Er hinterließ
weltberühmte, in viele Sprachen übersetzte und verfilmte Bücher. Sie
erzählen auch von der Bedeutung von Phantasie und Literatur.
Ein verlorenes Adressbuch und Versuche der Erinnerung: In seinem
jüngsten Roman "Damit du dich im Viertel nicht verirrst" variiert der
Nobelpreisträger Patrick Modiano seine Lebens-und Literaturthemen.
Der US-amerikanische Autor Edgar Lawrence Doctorow starb am 21. Juli
in New York. Am 17. August erscheint sein letzter Roman in deutscher
Übersetzung. Darin führt der Schriftsteller in den Kopf eines
Neurowissenschafters, der nach Erlösung sucht.
Vor 75 Jahren starb der Schriftsteller Michail Bulgakow in Moskau.
Seine Briefe und Tagebucheinträge aus den Moskauer Jahren 1921 bis
1940 zeugen von Taktiken in einem totalitären System, vor allem aber
von Zermürbung und Zerstörung durch Zensur.
Dem amerikanischen Traum von Selbstbestimmung und Freiheit und dem
Mythos vom amerikanischen Wesen widmet sich T. C. Boyle in seinem
gerade erschienenen Roman "Hart auf hart".
Als ein erschütterndes Dokument liest sich Szilárd Borbélys Roman
"Die Mittellosen", auch angesichts des frühen Todes des ungarischen
Autors vor einem Jahr.
Kunst, Geschichte und Rätsel auf der Baustelle: Weil das Wiener
Dom-und Diözesanmuseum wegen der Umbauarbeiten noch geschlossen ist,
wanderte die Kunst in den öffentlichen Raum - und auf den
Bauverschlag.
Geboren in Kapstadt, aufgewachsen in der südafrikanischen Provinz,
lebt der Literaturnobelpreisträger J. M. Coetzee heute in Australien.
Rechtzeitig zu seinem 75. Geburtstag am 9. Februar erscheinen seine
drei autobiografischen Prosatexte überarbeitet als Sammelband.
Frankreich unter muslimischer Regierung, ein neues altes Europa mit Sitz in Rom und Athen: Schon vor seinem Erscheinen erhitzte Michel Houellebecqs neuer Roman die Gemüter.Tokio, 20. März 1995: In der U-Bahn sterben zwölf Menschen, vergiftet durch Sarin, Tausende werden schwer verletzt. Die Realität hat die Erfindung eingeholt: In seinem Roman "Opernball“ hat Josef Haslinger einen Giftgasanschlag auf den Wiener Opernball erzählt. - London, 7. Juli 2005: Just an dem Tag, an dem Bomben die Hauptstadt erschüttern, erscheint Chris Cleaves Roman "Lieber Osama“: Darin fliegt ein Londoner
Bakterien als Speichermedium für Kompositionen, Musik als Trost in
der Trauer: Richard Powers erzählt in seinem neuen Roman "Orfeo" viel
über die Musik des 20. Jahrhunderts.
Flüchtigkeit, falsche Namen, Sehnsucht nach neutralen Zonen: Themen von Patrick Modiano, der im Dezember den Literaturnobelpreis erhält.Wer Patrick Modiano als Reisebegleiter wählt, der landet in Paris. Und zwar in einem Paris, das in unheimliches Dunkel gehüllt ist: Da streifen Menschen durch die Gassen, die man nur ab und zu im hellen Licht etwa eines Cafés sehen kann, die dann aber wieder verschwinden, manche für immer - und man kann sich nicht sicher sein, ob man je ihre richtigen Namen kannte.Dunkel ist es auch in Bezug auf die Erinnerung. Denn Vergangenheit und Gegenwart sind zwar