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Wie kühl ist kühl? So zwischen fünf und 15 Grad Celsius nehme ich an. Eine genaue Grenze können nicht einmal die Meteorologen ziehen. Kühle ist Gefühlssache wie das Alter. Manche sind mit 50 Jahren schon alt, manche fühlen sich mit 80 jung.

"Kalt ist der Abendhauch", dichtete der Freiherr von Eichendorff an den Mond - und meinte die abendliche Kühle. Aber die Truhe mit etlichen Minusgraden oder das Lagerhaus zum Einfrieren heißen Kühltruhe und Kühlhaus, obwohl sich bei diesen Kühltemperaturen die angenehme Kühle aufhört. Kühl in der Assoziation sind die Frühlings- und Herbstmorgen, kühl ist das erste Veilchen und die letzte Aster, kühl ist der beiläufig hingemurmelte Gruß, die abweisende Miene, die allzu sachliche Antwort, die Miene in der Straßenbahn. Unsere Sprache ist arm an Ausdrücken für die mittleren Lagen, sie bevorzugt die Extreme, Hitze und Kälte, heißspornig und kaltherzig. Die ganze Skala dazwischen ist Kühlstufe, behelfsmäßig definiert, sehr oder weniger kühl. Von den Eskimos wird berichtet, daß sie drei Dutzend Bezeichnungen für Schnee haben, weil die Beachtung des Schnees eben zu ihrem Leben gehört. Die Kühle gehört demnach nicht wesentlich zu unserem Leben, weil wir nur ein Wort dafür haben und es noch dazu vage und manchmal unlogisch gebrauchen. Zwischen Feuer und Eis widmen wir dem doch recht angenehmen Bereich der Kühle wenig sprachliche Aufmerksamkeit. Sei's drum, ein kühler Befund!

Aus solch kühler Überlegung auffahrend vernehme ich die Lieblingsvokabel der neuen Konsumgeneration: Cool. Das englische Wort für kühl ist ungefähr an die Stelle dessen getreten, was der Wiener einst mit "leinwand" oder "klass" bezeichnet und damit seiner Bewunderung in hohem Maße für wert befunden hat. Mit der eigentlichen oder übertragenen Kühle hat "cool" rein gar nicht zu tun. Cool liegt in seiner Bedeutung etwa zwischen lässig und eigenwillig und bezeichnet einen sonst kaum anzutreffenden Grad freiwillig anerkannter Autorität. Ein Lehrer, den seine Schüler "cool" finden, hat schon viel gewonnen. Und ein junger Mann, den weibliche Teenager für einen "coolen Typ" halten, ist geradezu ein Herzensbrecher.

Zum Unterschied von dem Mangel an Abstufungen der deutschsprachigen Kühle hat die neue Coolness die gewagtesten Steigerungsformen. Wer halbwegs cool ist kann irre cool und supercool changieren. Auch die Kreuzung mit superaffengeil zu affencool wurde schon vernommen, aber das ist vielleicht auch abwertend. Cool in jeder Steigerungsmöglichkeit ist selbstverständlich auch die Musik (oder was die Coolen für Musik halten), cool zu sein hat das Outfit, inklusive Haartracht. Eine ganze Generation stylt sich cool. Und falls gewiefte Eltern das halbwegs tolerieren und mitmachen, so wird der Papa mit dem Ehrentitel des "coolen Alten" ausgezeichnet.

Der Siegeszug eines Modeworts hat natürlich gesellschaftliche und psychologische Hintergründe. Daß es ausgerechnet die englische Kühle ist, hat möglicherweise mit dem gentlemanliken Isolationsbedürfnis des spezifisch britischen Humors zu tun. Nichts bringt den Coolen aus der Fassung. We are not amused! Die Vereinzelung in der anonymen Herde, die Distanzierung und Nicht-Anteilnahme, der Single-Trend, das alles schwingt mit in dieser heutigen Coolness. Der Coole deutet an, alle Möglichkeiten bis zum Abenteuer in sich zu bergen, aber er nützt sie nicht. Er spielt nur damit. Toll war einst das Attribut, doch das ist vorbei. Heute kann nichts und niemand mehr umwerfend beeindrucken. Man bleibt cool und blickt in seine Homepage.

Schlummert unter dieser coolen Oberfläche noch der Zund der Massenbegeisterung? Oder ist sie der Protest dagegen, daß eine ältere und uncoole Generation sich einst hinreißen ließ? Wer hat überhaupt das Wort in unseren Sprachschatz zuerst eingeschleust? Waren es die bösen Medien? Oder die coolen Talkmaster und Moderatoren? Die Aufgeregtheit mancher Meldungsdarbietung steht doch im Gegensatz zur Coolness. Oder besteht der besondere Reiz eben darin, sich angesichts von Bildschirm-Katastrophen cool zurückzulehnen?

Dies alles nicht genau zu wissen, das eben macht uns so cool.

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