Das postfaktische Zeitalter

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Wir sind jetzt also im "postfaktischen" Zeitalter angekommen. Das neue Modewort, das uns erklärt, dass Fakten nicht mehr gefragt sind, hat seinen Ursprung in der politischen Entwicklung. Potenzielle Wählerinnen und Wähler gewinnt man immer stärker über Emotionen und Ängste.

Vermutlich haben wir zu lange zugunsten einer klaren Favorisierung der Ratio ("Cogito ergo sum") existierende Emotionen und Ängste ignoriert. Die brechen sich nun umso beängstigender Bahn, lassen die faktenfixierte Ratio oft ganz auf der Strecke. Zugunsten der Show darf auch gerne gelogen werden, ohne schlechtes Gewissen und Konsequenzen.

Donald Trump ist das krasseste Beispiel. Auch Putin, Erdog an, Orban sind so bei ihren Anhängern überaus erfolgreich. Oder die britischen Brexitler, die freimütig einräumten, ihrer Argumentation zuliebe die passenden wirtschaftlichen Fakten frei erfunden zu haben. Hat es ihnen geschadet? Nein! Da die Menschen offenbar immer mehr davon ausgehen, dass sie überall belogen werden, wollen sie wenigsten eine gute Show. Postfaktisch ist pragmatisch. Postfaktisch ist praktisch.

Denn wer hat heutzutage unter dem permanenten Informations-Bombardement noch Zeit und Überblick, all die Argumente zu checken? Da müsste man seine Komfortzone verlassen, die Position überdenken und Fehler einräumen. Aber zum Glück gibt es die sogenannten sozialen Medien. Das beste Rezept gegen faktische Rückfälle und Selbstzweifel: Sich dort in die jeweilige Lieblings-Echokammer zurückziehen, wo einem die eigene Lieblings-Meinung tausendfach aufs Lauteste entgegenschallt. Derart bestätigt kann man allen Andersdenkenden dann getrost Lügen vorwerfen und sich möglichst laut über deren Faktenverdrehung empören. Denn hier zählen dann plötzlich wieder die Fakten in der postfaktischen Zeit. Logisch, oder?

Die Autorin ist Korrespondentin der ARD im Nahen Osten

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