Demokratie, scheußlich unelegant

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Er hatte trotz seiner ebenso aparten wie intelligenten Frau jede Menge Affären, er litt gleich an mehreren (verschwiegenen) Krankheiten, und er rüstete sein Land auf wie nie zuvor. Trotzdem war John F. Kennedy das Idol einer ganzen Generation. Das lag nicht nur an seinem frühen, gewaltsamen Tod, der ihn "forever young" machte, sondern daran, dass sein Mythos zu Lebenszeit nie durch die Medien gebrochen wurde.

Die Politiker der sechziger Jahre durften noch ungeniert unmoralisch sein. Das hat sich seither gründlich geändert. Parallel dazu ist von allen Seiten die Klage zu vernehmen, dass es keine Vorbilder mehr gebe. Doch das eine hat zweifellos mit dem anderen zu tun.

In der Mediendemokratie sind Politiker zum Angreifen gewünscht, die in Kauf nehmen (müssen), dass in ihrem Privatleben gestochert wird und ihre Einkommensverhältnisse, ihre Netzwerke, manchmal sogar ihre Liebschaften öffentlich Thema sind. Das hat unübersehbare demokratische Vorteile: Weil Politik damit transparenter geworden ist - was nicht immer bedeutet, dass aus veröffentlichtem Fehlverhalten auch Konsequenzen gezogen werden (schlag nach bei Karl-Heinz). In Summe darf das trotzdem unter dem Titel Fortschritt verbucht werden.

Die Kehrseite der Medaille ist jedoch eine unbarmherzige Paparazzi-Jagd auf jeden, der im Geruch steht, prominent zu sein. Welcher Fotograf wagte es schon, die Diven der fünfziger und sechziger Jahre ungeschminkt zu zeigen, geschweige denn, etwas von ihrer Orangenhaut abzulichten? Wer blickte hinter die Fassade von Royals? So gesehen befinden wir uns in einem Zeitalter ohne Illusionen. Die Demokratie zeitgenössischen Zuschnitts ist manchmal leider so scheußlich unelegant.

Die Autorin ist Innenpolitik-Ressortleiterin der "Presse".

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