Die Ärzte als Verlierer der Gesundheitsreform

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Mit der Gesundheitsreform versucht die Politik steigende Kosten zu dämpfen. Die Ärzte fürchten, dass sich die Einsparungen negativ auf die Versorgung auswirken.

Alois Stöger ist in Hochstimmung, seit der Ministerrat vorige Woche die Gesundheitsreform beschlossen hat. "Mir ist es gelungen, alle Partner an einen Tisch zu holen und eine große Reform zu verhandeln“, jubelt der Gesundheitsminister: "Die beiden 15a-Vereinbarungen, die den Kern der Reform bilden, können nun dem Nationalrat vorgelegt werden. Die Reform wird unser Gesundheitssystem für die kommenden Generationen absichern.“ Auch der Koalitionspartner ist voll des Lobes für das gemeinsame Vorhaben: "Durch die Reform wird unser Gesundheitssystem wieder auf starke Beine gestellt“, freut sich Finanzministerin Maria Fekter.

Partnerschaftliches Zielsteuerungsmodell

Der Kern der Gesundheitsreform: In Zukunft sollen Bund, Länder und Sozialversicherung gemeinsam die Krankenhäuser und die niedergelassenen Ärzte steuern, planen und finanzieren. Die Fragmentierung des österreichischen Gesundheitssystems war ja bislang dessen großer Pferdefuß. Für Steuerung und Finanzierung jedes einzelnen Sektors war jemand anderes zuständig: die Länder für die Spitäler, die Krankenkassen für die niedergelassenen Ärzte, das Gesundheitsministerium für die Prävention, die Pensionsversicherung und die Krankenkassen für die Rehabilitation, die Länder und Gemeinden für die Pflege. "Während in der Vergangenheit Bund, Länder und Sozialversicherung nebeneinander die Gesundheitsversorgung geplant haben, werden jetzt erstmals alle Partner an einem Strang ziehen und gemeinsam die Versorgung der Patienten organisieren“, erklärt Stöger das Grundprinzip des "partnerschaftlichen Zielsteuerungsmodells“. Die Macht liegt künftig in den neu zu schaffenden Zielsteuerungskommissionen auf Landesebene. Diese Gremien, in denen Länder und Krankenkassen das Sagen haben, geben vor, wo welche Leistungen im jeweiligen Bundesland angeboten werden.

Strukturänderungen sollen Kosten dämpfen

Die ebenfalls neu zu schaffende Bundeszielsteuerungskommission gibt lediglich den Rahmen vor. In Zukunft sollen jedenfalls Diagnosen und Therapien dort vorgenommen werden, wo es medizinisch und ökonomisch am sinnvollsten ist. Fix ist bereits, dass viele medizinische Leistungen aus dem stationären Bereich der Krankenhäuser in Spitalsambulanzen, Ambulatorien und zu den niedergelassenen Ärzten ausgelagert werden sollen. Weiters soll die medizinische Basisversorgung, also die Primärversorgung durch niedergelassene Ärzte, ausgebaut werden. Mit dem "partnerschaftlichen Zielsteuerungsmodell“ wollen Bund, Länder und Sozialversicherung den Anstieg der Gesundheitskosten dämpfen. Ziel ist es, den Kostenanstieg von derzeit jährlich 5,2 Prozent bis zum Jahr 2016 auf 3,6 Prozent zu reduzieren (das entspricht dem vermuteten Anstieg des Bruttoinlandsproduktes). Der Unterschied von 1,6 Prozentpunkten macht immerhin 3,43 Milliarden Euro aus. Bis zum Jahr 2020 soll die Reduktion der Kostensteigerung ("Kostendämpfung“) nicht weniger als elf Milliarden Euro im Vergleich zu den (fiktiven) ungebremsten Ausgaben bringen. Für den Fall, dass sich ein Partner nicht an getroffene Vereinbarungen halten sollte, sind Sanktionen vorgesehen, über die in letzter Konsequenz die Bundesregierung entscheidet.

Weiters sollen Prävention und Gesundheitsförderung künftig eine zentrale Rolle spielen. Dazu wird auf Landesebene ein gemeinsamer Gesundheitsförderungsfonds eingerichtet, der mit insgesamt 150 Millionen Euro für zehn Jahre dotiert wird. Über die Mittelverwendung entscheidet die jeweilige Landeszielsteuerungskommission.

Ernstzunehmender Widerstand gegen die Gesundheitsreformen kam und kommt nur von den Ärzten. "Unter dem Titel ‚Gesundheitsreform‘ haben die Politik und der Hauptverband der Sozialversicherungen die Weichen für massive Verschlechterungen im Gesundheitssystem gestellt - ohne die Bevölkerung über die drastischen Konsequenzen, die die geplanten Maßnahmen für sie haben, zu informieren“, wettert der Präsident der Ärztekammer für Ober-österreich, Peter Niedermoser. "Wie stellen sich die Politiker das vor? Wir machen eine Gesundheitsreform mit einem Einsparungsvolumen von elf Milliarden Euro innerhalb von sieben Jahren und keiner merkt etwas? Das sind Taschenspielertricks, die keiner glaubt“, empört sich Thomas Fiedler, oberster Vertreter der niedergelassenen Ärzte in Oberösterreich. Die Argumente der Ärzte lauten: Die demografische Entwicklung - Stichwort: Überalterung - und der teure medizinische Fortschritt machen bei gleichbleibendem Versorgungsniveau höhere Kostensteigerungen unvermeidbar.

Widerstand der Ärzte in Oberösterreich

Die Ärzteschaft Oberösterreichs bildet das letzte Widerstandsnest gegen die Gesundheitsreform. Vorigen Mittwoch zogen 700 Ärzte mit Transparenten und Megafonen vom Linzer Schlossmuseum zum Hauptplatz der oberösterreichischen Landeshauptstadt, um ihren Protest gegen die Reform Ausdruck zu verleihen. 85 Prozent der oberösterreichischen Ordinationen blieben geschlossen. Die Österreichische Ärztekammer hatte im Dezember ihre Abwehr aufgegeben, nachdem ihr einige Zugeständnisse gemacht wurden: die Stärkung der Primärversorgung und zwei für die Reform im Grunde irrelevante, für die Standesvertretung aber höchst bedeutende Punkte (Qualitätssicherung und Ausbildungskompetenz bleiben im Zuständigkeitsbereich der Ärztekammer).

Insgesamt ist die Ärztekammer die große Verliererin der Gesundheitsreform. Schon in die Ausarbeitung der Reform war sie nicht eingebunden. Da die Standesvertretung in keiner der Zielsteuerungskommissionen vertreten sein wird, hat sie bei der Planung von Kassenstellen nichts mehr mitzureden. "Die realpolitische Macht der Ärztekammer wird deutlich reduziert“, analysiert der Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer.

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