Ein Übersetzer der blinden Winkel Europas

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Schriftsteller, Herausgeber, Reporter, Biobauer, Literaturvermittler, Historiker, Koautor, Polonist, Nazikind, Korrespondent, Tischler, Zeitgeschichtler, Journalist, Übersetzer - das alles (und viel mehr) ist der am 23. Mai 1944 im oberösterreichischen Bad Hall geborene Wahlburgenländer Martin Pollack. Der unaufgeregte Experte für die blinden Winkel Europas lässt sich von Tagesaktualitäten nicht überrumpeln, denn er ist immer bestens vorbereitet. So konnte er seinen für gewöhnlich wohluninformierten Landsleuten seinerzeit die Bedeutung der politischen Ereignisse in Polen und Jugoslawien und kann er heute das Geschehen in der Ukraine in seinen tieferen Dimensionen erklären und verständlich machen.

Seine Karriere als literarischer Reiseleiter und Führer durch unwegsame historische Gefilde hat Martin Pollack 1984 mit seinem Bucherstling "Nach Galizien", einer "imaginären Reise durch die verschwundene Welt Ostgaliziens und der Bukowina" begonnen. Bereits hier ist er ein Mann mit Eigenschaften: authentisch, politisch, nicht diplomatisch, ideologiekritisch, nicht vereinfachend, akribisch genau und gleichzeitig großzügig, lernbegierig, beunruhigend und - humorvoll.

Das in der Öffentlichkeit am meisten beachtete und in viele Sprachen übersetzte Buch Martin Pollacks ist zweifellos "Der Tote im Bunker"(2004), in dem er sich schonungslos mit seinem Vater, einem SS-Sturmbannführer und Kriegsverbrecher, auseinandersetzt. Auch sein jüngster Tatsachenroman "Kaiser von Galizien. Die große Flucht aus Galizien"(2010) spielt in von Kriegen und Verbrechen "kontaminierten Landschaften", die allein durch die Erinnerung, durch das Bennen der Orte und vor allem der Täter und Opfer entgiftet werden können. Dank der Namen wird die Geschichte lebendig, kann man aus der Geschichte lernen. Der Historiker Timothy Snyder meint im Blick darauf: "Wir brauchen Leute wie Martin Pollack, die mit Mut denken."

Übersetzen aber ist die Basis des Wirkens von Martin Pollack. Gemeint ist damit die Fähigkeit, andere sprechen zu lassen, ihnen die eigene Stimme zu leihen. Drei Dutzend Bücher gibt es von ihm - und es mögen derer noch viele mehr werden, denn schließlich ist er ja gerade erst 70. Zwei Drittel dieser Bücher sind Übersetzungen von Werken von Ryszard Kapus´cin´ski (allein von ihm zwölf Titel), Andrzej Stasiuk, Henryk Grynberg und vielen anderen. Das befähigt in einer besonderen Weise selbst zu schreiben, getreu dem Diktum von Karl Kraus, demzufolge "übersetzen" als Imperativ aufzufassen ist: Übersetzen!

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