"Kürzungen trafen uns wie Blitz"

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Johannes Wahala vom Dachverband Familienberatung über Auswirkungen des 12-Stunden-Tages auf Familien und auf Barrikaden steigende Familienberater.

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Johannes Wahala vom Dachverband Familienberatung über Auswirkungen des 12-Stunden-Tages auf Familien und auf Barrikaden steigende Familienberater.

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Johannes Wahala ist Sprecher des Dachverbands Familienberatung, einem Zusammenschluss österreichweiter Rechtsträger von Familienberatungsstellen. Er übt im Gespräch mit der FURCHE scharfe Kritik an den Kürzungen durch Familienministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) und warnt vor massiven Folgen für die psychosoziale Versorgung in Österreich.

DIE FURCHE: Waren Sie von der Ankündigung der Familienministerin, die Förderungen der Familienberatungsstellen zu kürzen, überrascht?

Johannes Wahala: Ja, in der Tat. Diese Einschnitte trafen uns alle wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Wir haben damit überhaupt nicht und schon gar nicht in dieser Höhe gerechnet. Juliane Bogner-Strauß kürzte das Budget, ohne mit uns vorher zu reden. Die Familienministerin weiß nicht, was professionelle Familienberater heute leisten und wie groß der Bedarf daran tatsächlich ist. Sie hätte nur ihre Vorgängerin (Sophie Karmasin, Anm.) fragen brauchen, um den Bedarf daran zu erkennen. Die frühere FPÖ-Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer bekannte sich zur Familienberatung und setzte sich in der ersten schwarz-blauen Regierung auch dafür ein.

DIE FURCHE: Die Bundesregierung bekennt sich in ihrem Regierungsprogramm aber zu Kindern und Familien. Jetzt kürzt sie die Gelder dafür. Das klingt Paradox.

Wahala: So ist es. Ich erkannte im Regierungsprogramm zunächst einen hohen Anteil an Maßnahmen, die Familien zugute kommen. Darin stand etwa auch, dass Familien ein Fundament der Gesellschaft seien und sie gestärkt werden sollen. Für mich war das ein Bekenntnis zur Förderung der Familienberatung. Doch ich ließ mich täuschen. DIE FURCHE: Was sind die Folgen? Wahala: Viele Klienten müssen in den meisten Beratungsstellen schon jetzt zwei bis drei Monate auf ein Erstgespräch warten. Wenn Einrichtungen nicht bis jetzt Beratungsstunden eingeschränkt haben, werden sie im dritten und vierten Quartal merken, dass ihnen das Geld fehlt.

DIE FURCHE: Massive Umwälzungen auf dem Arbeitsmarkt stehen bevor. Das neue Arbeitszeitgesetz wird auch viele Familien treffen, da sie künftig vieles unter einen Hut bringen müssen. Was "bringen" Familienberater?

Wahala: Viele, die zu Familienberatern kommen, sind verzweifelt und brauchen Hilfe. Sie bringen die "Welten" wie Kinder, Familie und Beruf nicht mehr unter einen Hut. Unsere Klienten werden aber auch immer jünger. Wir beraten Familien, Paare, Männer, Frauen, Jugendliche und Kinder. Aber nicht nur das: Wir leisten auch Präventivarbeit. Einer gesunden Gesellschaft müsste das Gut der psychischen, körperlichen und geistigen Gesundheit der Menschen ein Anliegen sein.

DIE FURCHE: Die Familienministerin dementiert einen Zusammenhang zwischen den angekündigten Steuererleichterungen (Familienbonus plus) für Familien und den Kürzungen bei den Beratungen. Stimmen Sie ihr dabei zu?

Wahala: Die angekündigten Steuererleichterungen für Familien sind etwas anderes. Warum spart die Regierung bei den Familienberatungen, der psychosozialen Versorgung in Österreich? Wir haben etwa alle Landeshauptleute angeschrieben. Sogar alle Landesfamilienreferentinnen riefen die Ministerin auf, die Kürzungen zurückzunehmen. Keine Reaktion!

DIE FURCHE: Sie riefen als Reaktion auf die Kürzungen eine Online-Petition ins Leben. War sie ein Hilferuf? Wie viele unterzeichneten sie bisher?

Wahala: Ja, das war ein Aufschrei. Und viele Medien verbreiteten ihn. Bis jetzt unterzeichneten diese Petition Tausende. Über 18.000 wollen wir erreichen. Diese Zahl steht für all jene Menschen, die wir in unseren Einrichtungen bald nicht mehr beraten können.

DIE FURCHE: Sehen Sie in den Kürzungen den Anfang vom Ende der Familienberatung in Österreich?

Wahala: Nein, bestimmt nicht. Soweit wird es nicht kommen. Denn dann gehen der Dachverband Familienberatung und die Familienberater auf die Barrikaden.

DIE FURCHE: Bleiben Sie offen für Gespräche mit der Familienministerin?

Wahala: Grundsätzlich schon -im Sinne der psychosozialen Versorgung, im Sinne der Familien in Österreich. Die beiden letzten mit mir vereinbarten Termine sagte sie aber kurzfristig ab.

Johannes Wahala

ist Psycho-und Sexualtherapeut, Coach, Pädagoge und Theologe. Er leitet die Beratungsstelle Courage und ist einer der Gründer des Dachverbands Familienberatung.

Bogner-Strauß

Die Ministerin wird nicht nur für die Einschnitte bei der Familienberatung kritisiert, sondern auch für die Kürzungen bei Frauenvereinen und Gleichstellungsinitiativen, die ihr Ressort für Frauen, Familien und Jugend zu verantworten hat.

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