Schüssel, der Abendländer

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Für die Landtagswahlen hat Schüssels "tollkühne türkische Pirouette" (nzz) nichts gebracht. Zwar ist die Mehrheit der Österreicher gegen die Aufnahme der Türkei, wie überhaupt gegen jede Aufnahme weiterer Länder in die eu, weiß aber gleichzeitig, dass Wolfgang Schüssel im Alleingang nichts bewirken kann. Der Kanzler wiederum riskiert die Isolation in der eu und den Unwillen der usa nur allzu gern, wenn er die Kronen Zeitung für die Wahlen 2006 auf seiner Seite weiß.

Dem Europa-Bewusstsein in Österreich und dem Österreich-Bild in Europa hat er mit dieser Politik einen doppelten Bärendienst erwiesen: In Österreich hat er die herrschende Anti-eu-Stimmung verstärkt. Einmal mehr hat er nicht Verbündete für seine durchaus diskutable Haltung zur Türkei gesucht, sondern die nationale Karte gezogen. Schädlicher noch als die Folgen in Österreich sind die Folgen für das Bild Österreichs in Europa: Österreich als Hort des christlichen Abendlandes im Kampf gegen den Ansturm der türkischen Muslime. Dass die Sozialdemokraten Schüssels Kurs unterstützen, trägt zur Verzerrung des Österreich-Bildes zusätzlich bei.

Schüssels Engagement für die Aufnahme von Kroatien, einem Land, das sich bekanntlich ebenfalls für den Vorposten des "christlichen Abendlandes" hält, hat das Bild der "Abendland"Politik noch bestärkt. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Die Aufnahme von Kroatien und das Beharren auf einer völligen Integration des Balkans in die eu ist ein sinnvolles und zukunftsträchtiges Ziel österreichischer Außenpolitik. Durch die gleichzeitige Frontstellung gegen die Türkei gerät dieses positive Ziel jedoch in ein falsches Licht. Das "christliche Abendland" ist eine politische Vision, die der Vergangenheit angehört. Das heutige Europa braucht neue Visionen.

Die Autorin war orf-Redakteurin und Dokumentarfilmerin.

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