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Tüftelei mit der Sprache

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Bei den Kulturtagen in Lana präsentierte sich die Autorengruppe OULIPO mit ihren Sprachexperimenten.

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Bei den Kulturtagen in Lana präsentierte sich die Autorengruppe OULIPO mit ihren Sprachexperimenten.

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Wer kennt einen Roman von 300 Seiten Umfang, in dem kein einziges Mal der Buchstabe „E“ vorkommt? Oder eine Kurzgeschichte, die in Episoden gegliedert ist, wobei in jeder Episode jeweils nur die Buchstaben einer Straßburger Bustation verwendet werden?

Sprachexperimente wie diese — in Österreich unter anderem bekannt durch Ernst Jandl - existieren in Frankreich seit 34 Jahren als feste Einrichtung: die Autorengruppe OULIPO (Öuvroir de litterature potentielle); die „Werkstatt für potentielle Literatur“, -präsentierte kürzlich in Lana in Südtirol im Rahmen der Internationalen Kulturtage sich selbst und ihr Programm.

1960 gegründet von dem Schachtheoretiker Franeois Le Lionnais und dem Schriftsteller Raymond Queneau als Reaktion auf subjektivistische literarische Strömungen wie etwa den Surrealismus, setzte sich OULIPO zur Aufgabe, einerseits nach mathematischen Grundsätzen formale Regeln, „Schreibzwänge“ zu - erfinden, nach denen ein Schriftsteller arbeiten kann.

Andererseits sollten aber schon bestehende Regeln aus der Literaturgeschichte wieder angewendet werden.

Hinter dieser akribischen Tüftelei, die nur wenig mit dem zu tun hat was man frprnpinhin unter literarischem Schreiben versteht, steht die Absicht, die bislang als Grenzen bezeichneten Ränder der Sprache aufzusuchen und zu erforschen. „Es gibt Worte und Phrasen, die niemals geschrieben worden wären, wenn es nicht bestimmte Regeln gegeben hätte“, erklärt Marcel Benabou, Professor für Alte Geschichte an der Universität Paris VII und Mitglied von OULIPO.

Die „Akademie für die Sprache“, Veranstalterin der Kulturtage, weiß um die Exotik einer solchen Veranstaltung in einem Ort, der vorwiegend von bäuerlich-traditionellen Strukturen bestimmt ist. „Literarisches Leben muß hier erst provoziert werden“, beschreibt Oswald Egger, ein Mitarbeiter der Akademie, die neben Lana auch eme Expositur in Wien hat, die Situation.

Dennoch bietet ein derartiges literarisches Niemandsland ungemeine Chancen. Anders als in großen Kulturmetropolen sei hier keine „flächendeckende Versorgung mit Literatur notwendig“, so Egger. Der Schwerpunkt liege demnach auf Internationalität und Mehrsprachigkeit.

Literarische Randgruppen, unbekanntere Schriftsteller oder literarische Projekte finden in der Akademie in Lana einen Ort der Begegnung und des Austausches. Aber auch Namen wie Erich Fried, Martin Walser oder Friederike Mayröcker tauchten schon in der Liste der Gäste auf.

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