2011 sollte das Jahr der Reform sein. Die Kür, nachdem das Budget einigermaßen auf Kurs ist. Lang ist die Liste der Notwendigkeiten: Verwaltungsreform, Gesundheitsreform, Schulreform, Universitätszugang, Steuervereinfachung, Entlastung des Faktors Arbeit, flächendeckende Kinderbetreuung. Mit zehn Punkten kommt man nicht wirklich aus. Jetzt im September liegt für keine dieser Reformen ein großer Entwurf vor. Und keine Einigung zwischen den Regierungsparteien. Oder gar zwischen Bund, Ländern und Experten.
Dennoch änderte sich etwas in Österreich seit Jahresbeginn. Kleine überraschende Initiativen gibt es, und damit meine ich nicht nur Androsch und Raidl. Sondern die Spitalsreform in Oberösterreich und Wien. Die Verwaltungsreform in der Steiermark. Den Beschluss des Bundesrates über Gemeindekooperationen. Die 500 Millionen Euro für Ökostrom. Die Pflegefinanzierung und die Verringerung der hunderten Stellen, wo man Pflegegeld beantragen kann. Die Strategie der Post, CO2-neutral zuzustellen. Den Führungsstil des ÖBB-Chefs Kern. Den Masterplan Gesundheit der Sozialversicherung. Ansatzweise erfolgreiche Kompetenzdiskussionen Bund/Länder bei Spitälern. Es gibt Überlegungen im Finanzministerium für eine Zusammenlegung von Einkommensteuer und Sozialversicherungsbeiträgen. Der Bundesheereinsatz im Burgenland könnte doch eingestellt werden. Einheitswerte könnten nach 20 Jahren doch an die Inflation angepasst werden.
Grillparzer würde seinen sympathisierenden Spott über die Reformen schütten: "Das ist der Fluch von unserm edeln Haus: Auf halben Wegen und zu halber Tat mit halben Mitteln zauderhaft zu streben.“ Aber immerhin. Bewegung ist entstanden. Reformen kriechen hervor und schlängeln sich herum um ihre bisherigen Widerstandszentren. Wenn sie jetzt auch noch eine strategische Führung bekämen ("Chefsache“ wären), dann hätten wir uns getäuscht und 2011 könnte doch die Wende bringen.
Der Autor ist Leiter des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung - WIFO
