Völkischer Winkeladvokat

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Ewald Stadler scheint das Amt, das ihm seine Parteifreunde zwecks Entsorgung aus der Tagespolitik zugeschanzt haben, einer eher eigenwilligen Interpretation unterzogen zu haben. Er sieht seine Aufgabe weniger in der Bereitstellung rechtlicher Infrastrukturen zugunsten von Bürgern, die innerhalb der öffentlichen Maschinerie unter die Räder gekommen sind, als in der sehr rechtsfreundlichen Vertretung des Völkischen. Angesichts seiner mangelnden Rücksichtnahme auf anwaltliche Benimmregeln könnte man auch sagen, es handle sich bei Herrn Stadler um einen völkischen Winkeladvokaten.

Stadlers Ausflüge ins Ideologische haben ja seit jeher etwas Dadaistisches: Seine Vorstellungen vom "wehrhaften Christentum" lassen sich zur Not auch mit den alt- und neuheidnischen Versatzstücken kombinieren, welche die burschenschaftlichen Gefühlswelten durchwabern. Aus soziologischer Perspektive ist das durchaus ein Zeichen von sozialer Intelligenz: Allseitige Anschlussfähigkeit nennen das die Fachleute.

Wie anschlussfähig Stadlers Anschlussfähigkeit heute insgesamt noch ist, lässt sich schwer sagen, die Zahl derer, die sich von seinem Sonnwendgelaber angesprochen fühlen, dürfte aber einigermaßen überschaubar sein.

Dass dem Möchtegern-Populisten überhaupt Aufmerksamkeit geschenkt wird, liegt ausschließlich daran, dass seine historischen Privatoffenbarungen als weiterer Beweis dafür angesehen werden, dass sich die ÖVP an der Hand der FPÖ selbst schon zu einer rechtsextremen Partei weiterentwickelt habe, weil sie nicht sofort nach der Stadler-Rede den Notstand ausgerufen hat.

Es wäre vermutlich kindisch, wegen der historischen Verrenkungen eines überspannten Skurrilos eine Koalition platzen zu lassen. Dass öffentlich geäußerte Ignoranz gegenüber der eigenen Geschichte für hohe und höchste Repräsentanten des Staates in der Regel folgenlos bleibt, ist für denkende Gemüter dennoch eine erhebliche Einschränkung der republikanischen Lebensqualität.

Der Autor ist stellvertretender Chefredakteur der "Presse".

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