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Heißes Eisen?

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Heißes Eisen anzufassen bedeutet es wohl, wenn man hierzulande das Wort „Monarchie“ auch nur ausspricht, geschweige denn, wenn man — mag es auch nur rein akademisch sein — einmal von der monarchischen Staatsform, ihren Möglichkeiten und Gefahren in einem modernen Staat sprechen will. Eilig werden dem Unvorsichtigen von bestimmter Seite die Worte verbogen und über Nacht erkennt er nicht mehr sein eigenes Spiegelbild: gestern noch ein treuer und loyaler Staatsbürger, heute ein düsterer Feind unserer Republik. Anderseits läuft man aber auch Gefahr, als taktloser Störenfried in sorgsam gehütete Gefühlsbezirke einzudringen, wenn man den Vorstellungen mancher Mitbürger von der Monarchie die Welt der Tatsachen gegenüberstellt.

Vor dieser zweifachen Gefahr darf der Rezensent des vorliegenden Buches nicht zurückschrecken. Er tut es auch nicht; scheint doch die Zeit durchaus reif, über diese Frage diskutieren zu können, ohne daß sich an ihr das Feuer der Polemik von links und rechts entzünden muß.

Loewensteins Buch kann ein nützliches Hilfsmittel sein, Phobien zu bekämpfen und hochgespannte Illusionen auf die Ebene der Wirklichkeit zurückzuführen. Jenen, denen das Wort „Monarchie“ allein schon als rotes Tuch erscheint, ist die kluge Unterscheidung zwischen Regierungsund Staatsform zugeeignet: „Ein Staat kann, wie Großbritannien, der Staatsform nach eine Monarchie, der Regierungsform nach eine Demokratie sein, während ein anderer, etwa die Sowjetunion, mit der Staatsform der Republik die Regierungsform der Autokratie oder Diktatur verbindet.“ Die alte Jakobinergleichung Monarchie = böse, Republik = gut ist vom Wandel der Zeiten überprüft und als falsch erwiesen worden. Das Zeugnis, „als Staatsform sind Monarchie und Republik weder ,gut noch .schlecht', sondern an sich neutral im Sinne politischer Wertfreiheit“, hat um so mehr Bedeutung, als es von einem Mann kommt, dem ansonsten linksliberale Gedanken nicht ganz fremd sind. Was auch nicht hindert, daß man seinen Argumenten von der Unübertragbarkeit der igerade heute so oft als Schulbeispiel angeführten englischen Monarchie auf den europäischen Kontinent Aufmerksamkeit schenken soll. Dasselbe gilt wohl von der Erkenntnis, daß von allen bekannten Spielarten der Monarchie in Europa heute wohl nur mehr die sogenannte „parlamentarische“ ernsthafter Diskussionsgegenstand sein kann. Dies bedeutet freilich den Abschied von jenen hochm'egen-den Erwartungen, die da und dort genährt werden und mit der monarchischen Staatsform einen grundlegenden Wandel, der Politik verbunden sehen. Der politische, der parlamentarische Alltag mit allen seinen Licht- und Schattenseiten geht weiter — gleichgültig, ob ein gewählter Präsident oder ein Monarch Kabinettchefs ernennt, ausländische Gesandte empfängt und Gnadengesuche erledigt. Der wesentliche Unterschied liegt wohl im Lebensgefühl einer Zeit, eines Volkes.

Interesse verdient auch ohne Zweifel, was Loewenstein auf.« Grund des persönlichen Anschauungsunterrichtes in Belgien während der Königskrise über die Rückkehr eines Herrschers auf den vakanten Thron, über die Restauration einer Monarchie zu sagen hat. Die aus der Geschichte abzuleitenden Lehren werden, was eigentlich verwunderlich ist, gerade in Kreisen, denen die Monarchie teuer ist, oft viel zuwenig respektiert. Nur selten ist in solchen Fällen eine glückliche Wahl der Berater zu verzeichnen. Die Umgebung durch jene Kreise, von denen schon unter Ludwig XVIII. in Frankreich das böse Wort umging, sie hätten nichts vergessen und nichts hinzugelernt, wirkt wie Reif auf den Frühling einer restaurierten Monarchie. Ueber Nacht wurde schon so mehr als einmal eine günstige psychologische Situation in ihr Gegenteil verkehrt. Grundvoraussetzung jeder für den Monarchen wie für das Staatsvolk glücklichen Restauration kann wohl nur in der Absage an jedes Parteikönigtum sein. Die Ansichten des Autors, der aus diesem Grund sogar eine Volksabstimmung mit all ihren vorhergehenden Kämpfen ablehnt und im gegebenen Fall der starken Mehrheit eines Parlamentes, einer Mehrheit aus allen wesentlichen Parteien, das Recht zur Berufung auf den Thron zuerkennt, geben nur in anderen Worten die Weisheit eines alten französischen Royalisten wieder: „Eine Monarchie ist verloren, wenn es eine monarchistische Partei gibt.“ In diesem Zusammenhang ist es nicht uninteressant, daß der Chef des Hauses Habsburg am Vorabend der jüngsten Nationalratswahl eine klare Absage gegenüber monarchistischen Parteien ausgesprochen hat.

Schade, wirklich schade ist es, daß Loewenstein seine Ausführungen, die manch unbequeme, aber darum gerade beherzigenswerte Feststellung an verschiedene Adressen enthält, durch Ungenauig-keiten, Kurzschlüsse, persönliche Animositäten und einen stellenweise — sagen wir — saloppen Stil selbst zu entwerten droht. Der Führer der ..Hellenischen Sammlungsbewegung“ und jetzige Ministerpräsident Griechenlands heißt Papagos und nicht, wie Loewenstein mehrfach behauptet, Pan-galos. Mussolini bekannte sich nicht in den letzten Jahren seines Lebens „aus Opportunität“ zur Republik, vielmehr kehrte er — die Beweise sind eindeutig — mit dem Konzept der Republik von Salö zu den Idealen seiner sozialistischen Jugend zurück, nachdem er sie, diesmal wirklich aus Opportunität, so lange zurückgesetzt hatte. Ob die These, daß 1918 in Deutschland die Erhaltung der Monarchie zwar möglich, aber „glücklicherweise“ verpaßt worden war, auch nach dem ansonsten wohl nicht durchexerzierten Experiment Hitler aufrechterhalten werden-kann, wagen wir zu bezweifeln. Und auch in einer „für den gebildeten Laien, nicht für den Fachmann“ geschriebenen Arbeit sollte für Sätze wie: „Das letzte Exemplar dieser Gattung, der Zar aller Reußen, wurde... von einem bolschewistischen Exekutionskommando unsanft ins Jenseits befördert“, kein Platz sein (Seite 21). Ein letztes: Auf die Habsburger ist Karl Loewenstein aus nicht näher- bekannten Gründen, schlecht zu sprechen. Sie werden es verschmerzen ...

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