Mit Viktor Orbán Klartext geredet

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Ende Jänner kam er langsam, der Dank derer, denen ich einen Monat zuvor in Budapest meine Neujahrswünsche per Luftpost auf den Weg gebracht hatte. In die USA hatte die Postlaufzeit vier ganze Wochen betragen, nach Berlin und Wien immerhin drei. Da erinnert man sich, dass der amerikanische Nobelpreisträger Edward Prescott die Qualität des Postbetriebs einmal in direkten Bezug zur Leistungsfähigkeit eines Staates gestellt hat. Dabei sei egal, ob die Post privatwirtschaftlich oder staatlich organisiert sei. Effizienz wurde dabei in Anlehnung an Max Weber definiert: werden Beschäftigte allein nach ihrer beruflichen Kompetenz ausgewählt und befördert oder spielen politische Loyalitäten eine Rolle? Gelten feste Spielregeln oder gibt es Anzeichen willkürlicher Bevorzugung oder Benachteiligung?

Ungarns Effizienzgrad in Staatsverwaltung und Privatwirtschaft hat Max Webers Erwartungen wenig entgegenzusetzen, wenn ich meine Erfahrungen zugrunde lege. Ähnlich hat es wohl Bundeskanzlerin Angela Merkel gesehen, die kürzlich zu Besuch in Budapest war und die Gelegenheit nutzte, öffentlich mit Viktor Orbán Klartext zu reden: über die Rolle der Opposition, der Zivilgesellschaft, der Medien in einer funktionierenden Demokratie, selbst wenn man auf einer auskömmlichen Mehrheit sitzt. Sie hatte sich dabei auch mit Vertretern der jüdischen Gemeinschaft getroffen, die großenteils Orbáns kalte Schulter zu spüren bekommt. Nach Veränderung des Kirchengesetzes 2011 waren z.B. die liberalen Gemeinden in ihren Rechten beschnitten worden: ihre Mitglieder konnten aus der Einkommenssteuer keine Zuwendungen mehr an ihre Religionsgemeinschaft machen. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte über diese Diskriminierung war eindeutig, hatte aber in Ungarn bisher keinerlei Konsequenzen. In Orbáns Ungarn brauchen eben nicht nur die Briefe länger.

Der Autor, Rabbiner, ist Prof. f. Jüdische Religionsphilosophie der Neuzeit an der Uni Potsdam

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