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Digital In Arbeit

Behälter als schützende Hülle

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johanes zechner: Die Sprachspannung ist geblieben. Ich begann Passagen aus dem Gedichtroman von Peter Waterhouse in meine Bilder zu integrieren.

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johanes zechner: Die Sprachspannung ist geblieben. Ich begann Passagen aus dem Gedichtroman von Peter Waterhouse in meine Bilder zu integrieren.

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DIEFURCHE: Nicht nur Christo ist ein Verpackungskünstler, auch Johanes Zechner arbeitet mit Verpackung. Wie sind Sie zu Ihren Verpackungen gekommen? Welchen Sinn haben sie, wofür stehen sie?

Johanes Zechner: Verpackungen spielen in meiner Arbeit in verschiedenster Form seit Mitte der achtziger Jahre eine wesentliche Rolle. Es sind einerseits die „Skulpturenzeichnungen”, aufgefaltete Schachteln und Behälter als Malgrund. Aufgeklappt und in einen zweidimensionalen Zustand gebracht, dienen sie als Projektionsfläche für subjektive Bilder, die sich auf kulturell geprägte Formgefü-ge beziehen.

Die Werkgruppe der Kofferarbeiten beschäftigt mich seit nahezu zehn Jahren. Ich suche Orte auf, die für die jüngere Kulturgeschichte Europas bedeutend sind. Der am Ort gesuchte und gefundene Behälter dient sowohl als schützende Hülle für meine bildnerische Reaktion auf den spezifischen Ort als auch als kultureller Speicher. Im Laufe der Jahre sind so beispielsweise Kofferarbeiten in Berlin, Israel, Jugoslawien und Irland entstanden. Für 1995 ist ein Koffer zu Afrika geplant.

DIEFURCHE: Haben nicht Ihre Spiralbilder, die kürzlich in der Wiener Galerie Heike Curtze zu sehen waren, auch etwas mit Verpackung zu tun? zechner: Das Abheben einer Orangenschale in dieser Spiralform, wie es unsere Großmütter so gut konnten, geht auf die Grundproblematik der „Verpackung” ein. Die Naturverpackung von Früchten, die Schale, von Körpern, die Haut, zweidimensional darzustellen ist für mich ein Versuch. Das Verhältnis von Außenhaut und Inhalt ist ein künstlerisches Thema. Was steckt unter der Haut? Auf meinen Bildern deuten Zeichnungen kürzelhaft diesen psychischen Bereich „unter der Haut” an.

DIEFURCHE: Was hat es mit Ihren Bildern, die Textelemente enthalten, auf sich?

zechner: Ich habe ein biographisch bedingt trübes Verhältnis zur Sprache. Meine Mutter war zweisprachig. Das Slowenische wurde von ihr aus Anpassungsgründen zugunsten des Deutschen verdrängt. Ich habe als Jugendlicher begonnen Lyrik zu schreiben, mit 16 entdeckte ich aber die Sprache der Bilder und stellte fest, daß ich meine Ausdrucksbefriedigung schneller im Bild erreiche. Die Sprachspannung ist jedoch geblieben. Im Werk des Schriftstellers Peter Waterhouse (er ist zweisprachig Englisch und Deutsch) habe ich dieses Zwi-schen-den-Sprachen-Stehen wiedererkannt. Diese bestimmte Form der Spannung eben. Ich hatte eine meditative Phase des Abschreibens eines Kafka-Romans, es war ein Vortasten in die Literatur, in den „Kosmos der Worte” auf diese rhythmische Weise - ich schrieb in Versalien. Ich begann auch Passagen aus dem Gedichtroman von Peter Waterhouse „Sprache Tod Nacht Außen” in meine Bilder zu

integrieren. Einerseits aus meinem Grundbedürfnis nach Schönheit der Sprache, andererseits aber auch aus einem Bedürfnis, Fremdes ins Eigene aufzunehmen

DIEFURCHE: Ich habe die von Ihnen künstlerisch ausgestaltete Pfarrkirche von Wölfnitz in Kärnten in Erinnerung, Gibt es andere Projekte in diese Richtung?

ZECFiNER: Für einen privaten Auftraggeber entstand eine Fronleichnamsstation in Weitensfeld im Gurktal. Eine junge Architektin, Margit Ulama, machte die Entwürfe, ich sollte die Malerei im Inneren machen. Für das Fresko habe ich aus alten Fotosammlungen aus dem Besitz der Dorfbewohner zwölf Bilder ausgewählt, und diese kreuzförmig in der

Mitte angeordnet, rundherum entstand eine abstrakte Malerei. Ich wollte etwas gestalten, das die Umwohnenden miteinbezieht. Der Vorgang der Bildersuche war stark emotionell aufgeladen, da gab es beispielsweise das Foto zweier damals im Tale bekannter Landstreicher, die zu Beginn der NS-Zeit dann plötzlich verschwunden waren. Auch deren Bild wurde von mir für das Fresko ausgesucht.

DIEFURCHE: Sie sind sehr entschlossen von Klagenfurt nach Wien, an die Akademie der bildenden Künste gegangen. Wie war Ihr weiterer Weg? zechner: Es war eine sehr komfortable Zeit, die Akademie war ein Platz, sich zu verwirklichen. Ich habe zunächst bei Maximilian Melcher Graphik studiert und dann an der Malereiklasse von Max Weiler. Weiler war als Lehrer streng und bestimmt, hatte aber ein Gespür für seine Schüler. Wenn jemand auf dem richtigen Weg war, dann hat er ihn nicht gestört, sondern dessen Autarkie gefördert.

Nach Abschluß des Studiums habe ich eine Familie gegründet und wurde bald darauf Lehrbeauftragter an der Hochschule für angewandte Kunst bei Carl Unger. Das habe ich fünf Jahre lang gemacht. Es war eine sehr interessante Tätigkeit, ich habe Freskotechnik unterrichtet, auch wissenschaftlich darüber gearbeitet. Dann erhielt ich vom British Council ein einjähriges Stipendium für England. Das bedeutete einen neuen Schub, denn in den Jahren 1987 bis 1990 ist in London künstlerisch sehr viel passiert. Dort bin ich auf die Idee der Verpackung gestoßen. Für mich waren es die Konfrontation mit einem ganz anderen, liberaleren Kulturkreis, der traditionell starken Einfluß der Kunst aus den USA, die besonders interessant waren. Man mußte sich neue Strategien überlegen, nachdem die materielle Situation der Künstler in Großbritannien ziemlich trist war. Kunstsponsoring spielte eine wichtige Rolle, öffentliche Subventionen waren unter Margaret Thatcher weitgehend abgeschafft worden, der Kontakt zu erfolgreichen Galerien war sehr wichtig. Anfang der neunziger Jahre machte die wirtschaftliche Rezession auch den Künstlern sehr zu schaffen.

DIEFURCHE: Wie gut kann man in Osterreich als Künstler leben? zechner: Österreich ist für heimische Künstler in gewissem Sinn noch immer (trotz Sparmaßnahmen) eine geschützte Werkstätte. Es ist aber auch zu beobachten, daß sehr viele, vor allem ältere Kunstschaffende in diesem Land arbeiten, für die nichts oder zuwenig getan wird.

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