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Gold aus sieben Jahrhunderten

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Man weiß wenig vom „Goldschatz des Attila“. Nur dieses eine steht fest: daß der Name,' den der Volksmund dem Goldfoffii ;gab; der'1799 in Nagyszentmiklos ans Tageslicht kam, falsch ist. Denn wenn auch nicht sicher ist, ob die 23 goldenen Gefäße in die zweite Hälfte des 9. Jahrhunderts oder ins 10. oder gar erst ins 11. Jahrhundert n. Chr. zu datieren sind — mit dem großen Hunnenkönig haben sie bestimmt nichts zu tun. Er lag schon mehrere hundert Jahre im Grab, als altbulgarische Goldschmiedekünstler (waren es altbulgarische?) an den Gefäßen arbeiteten, Schalen und Krüge, Becher und Trinkhorn, Poknl, Medaillonkrug und Stierkopfschale schufen. Doch bleibt der Name Attilas, Inbegriff barbarischer Größe und östlichen Königtums in frühmittelalterlicher Zeit, ein für allemal mit diesem unermeßlich wertvollen Schatz, der aus 20- bis 22karatigem Gold gearbeitet ist und zehn Kilogramm wiegt, verbunden — dem Glanz des Goldes den Glanz des Wortes hinzufügend. So wie auch dem Goldfund, den einst Heinrich Schliemann in Troja machte, der Name „Schatz des Priamos“ bleiben wird, obwohl er um mehr als ein Jahrtausend älter ist als die Helden Homers. Namen sind Schall und Rauch...

Nein, man weiß nicht viel vom Goldschatz von Nagyszentmiklos, im äußersten Winkel des alten Ungarn, auf heute rumänischem Boden gelegen. Man weiß nicht, wer ihn gemacht hat und für wen die Goldschmiede ihn schufen (nur daß mehrere Werkstätten an ihm gearbeitet haben müssen, nehmen die Wissenschaftler als gesichert an). Man kann die Inschrift griechischer Buchstaben auf einzelnen Krügen entziffern, aber man -weiß nicht, Vas sie bedeutet, welcher Sprache die Worte angehören. Die Rätsel sind nicht gelöst. Anhaltspunkte für die Datierung gibt die Mischung zentralasiatischer Einflüsse mit Impulsen der persisch-sassanidischen und byzantinischen Kunst sowie heidnischer und christlicher Motive, die auf eine Uebergangszeit schließen läßt. Eine solche war damals, als 864 die Bulgaren zum Christentum bekehrt wurden, gegeben.

Der „Schatz des Attila“ ist seit vergangenem Freitag zusammen mit 15 anderen kostbaren Gold- und Silberschätzen aus dem Frühmittelalter, der Zeit von Konstantin dem Großen bis zum Jahre 1000, in zwei Sälen des Kunsthistorischen Museums in Wien aufgestellt. Die Aufstellung in Glasvitrinen und auf Glasplatten macht jedes Stück von allen Seiten sichtbar- es ist, als hätte man sie in der Hand und könnte sie drehen und wenden. Der Leiter der Antikensammlung des Kunsthistorischen Museums, Dr Rudolf Noll, hat sich sichtlich viel Mühe gegeben und zur Neuaufstellung einen ausführlichen Katalog geschaffen. 20 Jahre lang ruhten die Schätze in Gewahrsam, wo sie die Kriegs- und Besatzungszeit gut überstanden haben; nun wurden sie endlich wieder der Oeffentlichkeit zugänglich gemacht.

VTERE FELIX steht auf einer zierlichen Gewandnadel, einer römischen Goldfibel aus dem 4. Jahrhundert, gefunden 1790 im ungarischen Osztro-pataka — Gebrauche sie mit Glück! In feinster ornamentaler Durchbruchsarbeit ist sie mit unendlicher Liebe geschaffen worden, von einem meisterlichen Goldschmied für eine Dame der großen Gesellschaft. Gebrauche sie mit Glück — utere felix! Wieviel Innigkeit spricht daraus — und wieviel Schicksal!

Betrachten wir die rund 1000 Objekte der Ausstellung recht mit Muße, so beginnen sie alle zu sprechen; wir brauchen nur hinzuhören.

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