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Ein Landesweites Kunstprojekt steht im Zeichen des Granatapfels.

W enn der Granatapfel platzt, strömen unzählige Kerne aus seinem Inneren. Dieses Prinzip ist die Grundlage eines kärntenweiten Kunstprojekts mit ungewöhnlichen Zugängen zu bildender Kunst, Literatur, Theater, Musik. Die Künstlerin Gerhild Tschachler-Nagy hat mit dem "Granatapfel" in Kärnten nicht nur ein Kunstprojekt, sondern auch eine soziale Vernetzung in Gang gesetzt. Über 30 "Stationen" beteiligen sich daran, KünstlerInnen, Gemeinden, StudentInnen, SchülerInnen, Lehrlinge sowie die meisten Galerien des Landes.

Poesie des Granatapfels

"Deine Schläfen sind hinter deinem Schleier wie eine Scheibe vom Granatapfel", heißt es im Hohelied, in dem immer wieder der Granatapfel vorkommt. König Salomo baute den ersten großen Tempel und schmückte ihn mit Hunderten von Granatäpfeln. Er ließ sich dazu verleiten, auch der syro-phönizischen Göttin Astarte einen Tempel zu errichten, der ebenfalls der Granatapfel heilig war. Ihr ist die älteste erhaltene Granatapfeldarstellung auf einer 6.000 Jahre alten Kultvase gewidmet.

Der Granatapfel ist ein sehr weit verbreitetes Symbol von hoher mythologischer Kraft. Er stand für Leben und Tod, er wird gern als der Apfel im Paradies gesehen, er war der Apfel des Paris und der antiken Fruchtbarkeits- und Liebesgöttinnen. Im Judentum kam er schon in die Bundeslade, im Christentum wurde der Granatapfel jahrhundertelang zum vielfachen Symbol, ebenso im staatlichen und militärischen Bereich.

"Ein Biss in den Granatapfel" erschloss der Keramik- und Objektkünstlerin Gerhild Tschachler-Nagy ein dezentrales System, einfach und voller Überraschungen.

Vernetztes Kunstprojekt

Den Garten Eden zugänglich zu machen, heißt sich mitzuteilen und zu vernetzen, wobei jeder Beteiligte die Verantwortung mit trägt. Von diesem Gedanken geht die Künstlerin aus. Der "Granatapfel" ist das zweite Werk, das nicht nur durch die von der Idee "angestiftete" Kunst, sondern auch durch diese Organisationsform zum Kunstprojekt wird, in dem jeder seine Rolle hat. Wie das erste Projekt dieser Art, "ameisen reisen zeilenweise" 2001, sind Formen aus der Biologie als begleitende Lebensformen des Menschen Grundlage von Gesellschaftsmetaphern, ausgedrückt in Kunst. "Weit weg von Eventkultur" betrachtet die Künstlerin diese Gartensymbiose als Querschnitt eines Landes, in dem der Einzelne Teil des Ganzen ist, das Ergebnis aber mehr als nur die Summe der Teile.

Abseits der Event-Kultur

Der Granatapfel entpuppt sich nicht nur als geballte Macht, glänzende Provokation und tief religiöse Konzentration, sondern auch als schillerndes Früchtchen. Gerhild Tschachler-Nagy geht voran mit ihren Keramikobjekten, Metamorphosen, üppigen, buckligen, stachligen, glatt glänzenden und leidenschaftlichen Früchten von hoher ästhetischer und inhaltlicher Botschaft.

"Angebissen" haben inzwischen viele, das Projekt ruft in vielen Spielstätten in Kärnten Denkprozesse und Kunstprozesse hervor - Irritationen inbegriffen.

Eine literarisch-sinnliche Auseinandersetzung mit dem Thema und zugleich ein eigenständiges Kunstwerk ist das zum Projekt erschienene Granatapfel-Buch mit poetischen, wissenschaftlichen, biologischen und gesellschaftspolitischen Beiträgen. "Vielleicht ein Maß des verklärten Blicks / oder ein Haus der Erzählungen / oder einfach ein Apfel, / etwas anders, / etwas süßer und saftiger vielleicht", schreibt der zweisprachige Dichter und Maler Gustav Janus, der in der Galerie Sikoronja in Rosegg ausstellt.

Granatapfel grenzenlos

"Die essbare Sprache" stellte der Kulturphilosoph Peter Kubelka als Thema an den Anfang. Der Musiker und Komponist Bruno Strobl nahm das Feuer von Granaten - Waffe und Edelstein - als Vorbild für seine Computermusik, die auch auf CD im Buch enthalten ist. Der Architekt und Designer, Erfinder des Raumalphabets und Zeitungsherausgeber Heidulf Gerngross macht im PressWerk in Kötschach-Mauthen seine Capella Bianca, mit der er auf der Architekturbiennale in Venedig vertreten war, zum Mittelpunkt einer künstlerischen Auseinandersetzung, an der zehn Künstler teilnehmen. Die in Hamburg lehrende Südkoreanerin Eun Nim Ro hat derzeit in der Galerie Freihausgasse in Villach ihr Atelier aufgeschlagen, um auf lange Papierbahnen an Ort und Stelle ihre zauberhaften elementaren Zeichen zu setzen.

In der Stadt Völkermarkt öffnen sich Keller alter Stadthäuser zu "Katakomben und Granaten", um Geschichten der Vergangenheit heraufsteigen zu lassen. Das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in St. Veit lädt zum inszenierten Nightwalk. In der kleinen Stadt Gmünd werden Marianne Schoiswohl und Larissa Tomassetti Arbeiten zum weiblichen Körper zeigen. Bilder aus am Computer zerlegten Fotografien von Samen und Blüten fügen sich zu artifiziellen Ornamenten: die Wiener Künstlerin Doris Krüger in der Galerie Walker im Schloss Ebenau. In der Galerie im Schloss Porcia in Spittal stellt sich die Klasse für medienübergreifende Kunst Fragen neuer Medientechnologien, im Haus Winkler-Jerabek in Himmelberg zeigen StudentInnen von Florentiner Schmuckdesign ihre gemeinsame Befassung mit dem verführerischen Thema.

Kubanische Freiheit und Lebenslust inspirierte die Malerin Caroline ebenso wie das Gedenken an den Kampf gegen die Sklaverei zu Bildern und Objekten im Schloss Damtschach, gemeinsam mit Altar-Installationen von Burgis Paier. Die in Berlin lebende und bisher vor allem durch ihre Holzschnitte bekannte Künstlerin Lisa Huber ist mit der Galerie Carinthia in Klagenfurt und der Galerie Berndt in Wolfsberg gleich in zwei Ausstellungen vertreten.

Nur wenige Beispiele - die roten Kerne entfalten ihr Eigenleben und die Ergebnisse sind bis Mitte November in Kärnten zu sehen, weitere Folgen nicht ausgeschlossen.

Die Autorin ist freie Journalistin in Klagenfurt.

AUS DEM PROGRAMM

34 Kunststationen mit über 60 Veranstaltungen und Ausstellungen in ganz Kärnten bis 11. November.

Eine Auswahl:

"Alma Inspirada" von Caroline und Burgis Paier, Galerie Schloss Damtschach, Wernberg

Bis 17. Juli

"Wonnekleider" von Marlies Liekfeld-Rapetti im Schaukraftwerk Forstsee der KELAG

Bis 6. August

"Kairo auf der Wiese" mit Sigrid Elisa Pliessnig, Martin Schinagl, Andrea Taha am Kleinsasserhof, Spittal

Bis 31. Juli bzw. 3. und 5. September

Eun Nim Ro in der Galerie Freihausgasse, Villach

Bis 25. August

"gra.at" von Brigitte Lang, Marianne Schoiswohl, Larissa Tomasetti, Waltraud Zenz in der Neuen Galerie Gmünd

Bis 10. August

"Capella Bianca" von Heidulf Gerngross und anderen KünstlerInnen im PressWerk Kötschach-Mauthen

15. Juli bis 5. September

Lisa Huber in der Galerie Berndt, Wolfsberg

15. September bis 30. Oktober

"Nachtdienst" im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder, St. Veit/Glan, 16. und 17. September

Jana Vizjak, Gustav JanuÇs, Drago DruÇskoviÇc in der Galerie ÇSikoronja, Rosegg

17. September bis 24. Oktober

"Der Granatapfel und seine heiligen Verwandten" von Kurt Welther in der Galerie Freihausgasse, Villach

28. Oktober bis 6. November

"Ankommen" und "The red thread - the red threat" von Anna Nöst und Gerhild Tschachler-Nagy, Schoeller Bank, Klagenfurt

11. November bis 10. Dezember

www.granatapfel.com

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