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Eine spannende Gegenüberstellung im Lentos Kunstmuseum Linz: Anatolische Kelims und Kunstwerke des 19. und 20. Jahrhunderts.

Erst relativ spät - etwa um 1970 - begann sich die Kunstwelt für Kelims zu interessieren. Zuvor wurden sie als reine Gebrauchsteppiche gehandelt, die einerseits im Alltag Verwendung fanden - die so genannten Streifenkelims - andererseits im religiösen Bereich als Nischenteppiche.

Die Webtradition der Kelims war hauptsächlich in Anatolien, dem Kaukasus und Persien beheimatet. Die anatolischen Nomaden-Kelims (vom 17. bis ins frühe 19. Jahrhundert), wie sie im Lentos gezeigt werden, wurden von Frauen angefertigt und von Männern in Naturfarben gefärbt. Die Frauen gaben sich beim Weben größte Mühe, da sie die Teppiche als Aussteuer mitbrachten. "Die Frauen haben die Motive ihrer Eltern und Großmütter übernommen und sie tradiert. Der Kelim war somit auch ein Identitätsträger", erklärt Norbert Prammer, der seine Sammlung für die Ausstellung zur Verfügung gestellt hat. Weiters wurde der Kelim auch für religiöse Feste und für die Bestattung verwendet: Man wickelte die Toten darin ein - daher kommt es, dass so mancher Kelim "überlebt" hat, viele jedoch beschädigt sind, so Prammer.

Private Sammelleidenschaft

Der Arzt aus dem oberösterreichischen St. Veit ist ein profunder Kenner der Materie. Seit seiner Jugend interessiert er sich für Teppiche, was ihm auch den augenzwinkernden Vermerk "liest Teppichbücher" in der Maturazeitung einbrachte, und seit 25 Jahren sammelt er Teppiche - vorzugsweise anatolische Kelims, weil diese "so enorm vielfältig sind". Sein Wissen und seine textilen Errungenschaften hat er in dem Buch "Frühe anatolische Kelims" publiziert.

Nun gewährt er auch direkten Einblick in seine Sammlung im Rahmen der Lentos-Ausstellung "Nomaden im Kunstsalon".

Die Kuratorinnen Andrea Bina und Elisabeth Nowak-Thaller konfrontieren die Teppiche in sechs Räumen mit Gemälden, Grafiken, Objekten und Reisefotografien aus der hauseigenen Sammlung. Daraus ergibt sich eine Komposition von Kunstwerken aus Orient und Okzident, aus Vergangenheit und Gegenwart - unweigerlich aus westlichem Blickwinkel -, die sich zu einer Vergleiche herausfordernden Inszenierung formieren. Der erste Raum wurde unter den Themenkomplex Alltag, Reisen und Orient gestellt. Die rot gefärbten Wände symbolisieren den Kunstsalon. Das Zelt in der Mitte steht für die Präsenz der Nomaden - und das gleich im doppelten Sinn, da auf die Zeltwände ein Film über Nomaden projiziert wird.

Viele Künstler des 19. und frühen 20. Jahrhunderts waren vom Orient fasziniert und beschäftigten sich auch in ihren Werken damit - so etwa Alfred Kubin. Quer durch sein Oeuvre finden sich Gestalten mit orientalischer Kleidung - dabei ist er gar nie so weit gereist.

Die weiteren Räume widmen sich den Themen Streifen, Linien und Farben sowie Meditation, geometrische Reduktion und Abstraktion und dem Glauben. Interessant, wie sich Künstler wie Sean Scully von der Ornamentik der Streifenteppiche inspirieren ließen. Er reiste oft nach Marokko und sah dort beim Einfärben der Teppiche zu.

Die Nischenteppiche, die einen religiösen Kontext aufweisen, unterscheiden sich ganz wesentlich von den gestreiften Alltagsteppichen durch geometrische Formen und Moschee-Darstellungen, die darin eingewebt wurden. Die Deutung dieser Symbole, die weit in die Geschichte zurückgehen, ist jedoch schwierig - selbst Experten sind sich über die Interpretation uneins. Spannend ist die Gegenüberstellung dieser alten Nischenteppiche mit Canan Dagdelens modernem Gebetsteppich aus Gips und Porzellan mit Abdrücken ihrer Füße, Knie, Hände und Stirn, oder dem Nitsch-Altar.

Der sechste und letzte Raum der Ausstellung schlägt eine Brücke zur Gegenwart. Es gibt eine Hör-Station, auf welcher der Ö1-Türkei-Schwerpunkt läuft, Literatur aus Okzident und Orient zum Schmökern und für die Kinder orientalische Kleider, Schuhe und Kopfbedeckungen zum Anprobieren.

Großes Rahmenprogramm

Erwähnenswert ist auch das umfangreiche Rahmenprogramm zur Ausstellung: Gesprächsreihen mit dem Sammler Norbert Prammer, einem Künstler und einer Kuratorin, ein dreitägiges Symposium zum Thema Kelim & Moderne (3.-5. März), Ausstellungsführungen mit Kaffee und Türkenkipferl zum Abschluss sowie ein abwechslungsreiches Kinderprogramm mit Geschichten aus 1001 Nacht, Kamelreiten usw.

Nomaden im Kunstsalon

Begegnungen mit der Moderne

von Bayer bis Sol LeWitt

Lentos Kunstmuseum Linz

Ernst-Koref-Promenade 1, 4020 Linz

27. Jänner bis 10. September

Mi-Mo 10-18 Uhr, Do 10-22 Uhr

www.lentos.at

Buchtipp

"Frühe anatolische Kelims" von Norbert Prammer ist im Internet unter:

www.collectionprammer.com erhältlich; 166 Seiten, 60 ganzseitige Abbildungen

SYMPOSIUM

Kelim & Moderne

3.-5. März

Mit Ignazio Vok, Simone Jansen, Remi Labrusse, Axel Steinmann, Dieter Bogner, Heinz Meyer, Marga Persson, Viola Weigel u. Norbert Prammer.

Verbindliche Anmeldung bis 17. 2. an:

Frau Dr. Waltraute Steger

Landstr. 22, 4020 Linz

office@steger.at

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