Talente nutzen, altes Wissen heben

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Ein altes rumänisches Städtchen renovieren und dabei auf die Mitarbeit der Roma zu setzen, ist das Erfolgsrezept einer österreichischen Roma-Initiative.

Mitten im Funkloch ein Straßendorf. Mitten im Verfall ein Schmuckkästchen. Im Turm der mittelalterlichen Wehrkirche hängen die Speckschwarten. Auf der Wiese spielen Roma-Kinder. Zwei Pädagogen leiten die Sommerschule.

Daneben dominiert das frische Gelb des Gutshofs von Stejarisu/Probstdorf. Eine kleine Kapelle spielt schief alte deutsche Volkslieder. Knorrige Siebenbürger Sachsen jenseits der Pensionsgrenze. Die Jungen sind weggezogen. Jetzt stellt die einstige Mehrheit nur noch ein paar Dutzend der Dorfbewohner. Etwas weniger als die Rumänen – neben Hunderten Roma.

„Grüß Gott!“ Hier im oberen Harbachtal, mitten in Transsylvanien, wo kein Handy mehr funktioniert, betreibt Barbara Wiebke Schöfnagel ein Langzeitprojekt zur Armutsbekämpfung. Es ist ihr zweites Projekt. Nach dem verheerenden Hochwasser 2006 ist auf ihre Initiative hin ein „Europadorf“ südlich von Bukarest entstanden: 100 Holzhäuser für obdachlos gewordene Roma, errichtet mit österreichischen Spendengeldern.

Kinder in die Schule locken

Schöfnagel, die seit 1970 auf mannigfaltige Weise Rumänienhilfe organisiert, betreut die Roma-Hilfe im herausgeputzten Stejarisu/Probstdorf in ihrer Rolle als Sozialattachée der österreichischen Botschaft in Bukarest. Gemeinsam mit Projektleiter Wolfgang Hosiner sowie Seniorexperten und Volontären setzt sie vor allem auf (Aus-)Bildung.

Ein mitunter trickreiches Unterfangen, die Roma-Kinder in die Schule zu locken: „Wir haben ihnen Weihnachtsgeschenke gegeben“, erklärt Hosiner einen Anreiz für den Kindergarten- und Schulbesuch. Die Berufsausbildung der Dorfbewohner mündet mittlerweile schon ins Auspendeln: Die diplomierten Roma-Handwerker finden Arbeit in den Städten.

In Stejarisu/Probstdorf bleiben unterdessen Arbeitsaufträge zuhauf für die neu gelernten Zimmerleute, Elektriker, Schlosser, Installateure, Maurer, Dachdecker … Neben der Fassadenrenovierung und Müllentsorgung ist die Wassereinleitung in die alten Häuser das aufwändigste Projekt. „Es ist ein enormer Kraftakt“, gesteht Schöfnagel, die auch das aussterbende Know-how der verbliebenen Siebenbürger Sachsen für die Qualifizierungsmaßnahmen und Ausbildung der Roma nutzt.

Die alten Herren in der Musikkapelle bleiben allerdings skeptisch. Seit Jahrhunderten leben die Siebenbürger Sachsen mit den „Zigeinern“ zusammen, die Vorurteile gegen die Roma sind dementsprechend gefestigt.

Aus Arbeitslosigkeit geholt

Doch die Frau Sozialattachée gibt nicht nur in der Kapelle an der Tuba den Takt vor. Sie sucht die dauerhafte Veränderung: „Wir haben in nur zwei Jahren 50 zuvor arbeitslose Männer ausgebildet, 20 Frauen beschäftigt, 40 Häuser renoviert und stellen gerade unsere Lehrschmiede fertig“, versprüht sie Tatkraft. Ihre Mitmusikanten schrummen eine sentimentale Melodie auf das Gestern. Als Siebenbürgen noch bei Österreich war. Willkommen in der EU.

Der Autor ist Leiter der plaiknerpublic medienarbeit

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