Air - still - © Warner

„Air“ – Ein Schuh hebt ab

19451960198020002020

Ben Afflecks mitreißendes 1980er-Jahre-Porträt „Air“ beleuchtet die Entstehungsgeschichte des berühmtesten Sportschuhs der Welt, hinterlässt aber einen Beigeschmack.

19451960198020002020

Ben Afflecks mitreißendes 1980er-Jahre-Porträt „Air“ beleuchtet die Entstehungsgeschichte des berühmtesten Sportschuhs der Welt, hinterlässt aber einen Beigeschmack.

Werbung
Werbung
Werbung

Wer kennt sie nicht, die berühmten „Air Jordans“ – jene Schuhlinie, für deren Werbekampagne der Konzern Nike den damals aufsteigenden Basketballstar Michael Jordan gewann. Wie es dazu kam, zeigt jetzt „Air: Der große Wurf“, ein exzellent geschriebenes Hybrid aus inspirierendem Sportdrama und packendem Firmenkrimi. Der Film ist ein Herzensprojekt von Schauspieler Ben Affleck, der mit Thrillern wie „The Town“ (2010) bereits sein Können hinter der Kamera unter Beweis stellen konnte, bis er sich mit dem Oscar-prämierten „Argo“ (2012) endgültig in die erste Liga der Hollywood-Regisseure katapultierte. Nun hat sich Affleck erneut mit seinem langjährigen Freund und Schauspielerkollegen Matt Damon zusammengetan, um mit „Air“ ein mitreißendes, von großartigem Soundtrack untermaltes 80er-Jahre Zeitporträt vorzulegen. Damon spielt Sonny Vaccaro, einen Mitarbeiter der Basketball-Abteilung bei Nike, der als einziger erkennt, dass man jetzt alles auf eine Karte setzen muss, um Adidas und Converse Konkurrenz zu machen. Sehr zum Unmut von CEO Phil Knight (Affleck) schlägt Vaccaro vor, trotz geringer Erfolgsaussichten Michael Jordan anzuwerben. Jordan galt zwar damals schon als vielversprechendes Talent, aber nur Vaccaro ahnt, welche Ausmaße der Kult um seine Person noch annehmen würde. Allen Widerständen zum Trotz sucht er Jordans Eltern auf, um sie persönlich vom Deal mit Nike zu überzeugen. Affleck trifft die kluge Entscheidung, seinen Film nicht auf die Person Michael Jordans zu fokussieren und sich so gar nicht dem Problem stellen zu müssen, wie man eine der größten Ikonen der Sportgeschichte inszenieren soll. Stattdessen wird den Eltern mehr Raum gegeben. Eine der Bedingungen, die Michael Jordan an die Macher des Films stellte, war, dass Viola Davis seine Mutter Deloris spielen sollte. Davis liefert dann auch eine ungemein kraftvolle Performance ab, die sich für den Film (wenig überraschend) als Glücksfall herausstellt. Eher kapitalistische Propaganda „Air“ ist gänzlich aus der Perspektive Vaccaros und seiner Kollegen erzählt, deren Bemühungen, bestimmte Sportler zu akquirieren, ähnlich authentisch wie etwa in Bennett Millers großartigem „Moneyball“ (2011) zum Ausdruck kommt. Damit kann der Film ein Schlaglicht auf die von Filmen dieser Spielart oft unterschlagenen geschäftlichen Aspekte der Sportwelt werfen. Dennoch beschert uns die Tatsache, dass wir hier nicht mit den Underdogs eines Sportteams mitfiebern, sondern mit den Mitarbeitern eines Großkonzerns, der sich fragwürdiger Praktiken bedient, einen am bivalenten Beigeschmack. Wenn man sich vor Augen führt, wie das Image Nikes durch das Bekanntwerden von asiatischen Ausbeuterfabriken in den 1990ern in Verruf geriet – eine Kritik, wie sie etwa Naomi Klein in ihrem Buch „No Logo“ (1999) anstieß – so bleibt dieser Umstand im Film völlig unterbelichtet. In einer Szene erzählt Nike-Mitarbeiter Rob Strasser (Jason Bateman), wie er es gewöhnt war, sich von Bruce Springsteens „Born in the USA“ motivieren zu lassen. Das ging solange gut, bis er einmal auf den Text geachtet hat. Vielleicht wird auch „Air“ – ähnlich wie Springsteens Song, der bezeichnenderweise den Abspann unterlegt – einmal eine differenziertere Lesart des amerikanischen Traums ermöglichen. Der unmittelbare Eindruck ist jedoch eher der von kapitalistischer Propaganda.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung