"Angel" - die kritik: it-girl in feiner robe

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Ihr Auftritt ist bestimmt und forsch: Ihrem Verleger droht sie, ihr Buch nicht zu veröffentlichen, wenn dieser auch nur ein Wort darin veränderte. Ihrem Geliebten macht sie einen Heiratsantrag, obwohl das eigentlich Männersache ist, überhaupt im Jahr 1905. "Das ist mir egal. Ich liebe dich einfach", sagt sie.

Wo ein Wille, da auch ein Weg. Angel Deverell (Neuentdeckung Romola Garai) ist ein hübsches Energiebündel. Was sie sich vorgenommen hat, das zieht sie durch. Als die Tochter eines Gemüsehändlers im britischen West Yorkshire noch von Ruhm träumt, da ist ihre Lebensumgebung staubig. Als Autorin von kitschigen Liebesromanen will sie es ganz nach oben schaffen, will mit Adel, Industriellen und reichen Jünglingen parlieren, will gefeiert werden für ihre Theaterstücke, will auf Feste und Bälle gehen. Hätte es damals bereits Paparazzi-Fotografen gegeben, Angel wäre ihr bevorzugtes Motiv gewesen. Und es hätte ihr gefallen.

Angels Dasein bleibt bis zuletzt, als ihr die Erfolge wieder entgleiten, ein fantastischer Kosmos, dessen schönste Seiten nur in ihrem Kopf existieren. Regisseur François Ozon (8 Frauen, 5x2) hat dank seiner enormen stilistischen Vielseitigkeit mit Angel einen überwältigend opulenten Kostümfilm gedreht, der gleich in doppelter Hinsicht eine Tränendrücker-Schnulze sein will: Einerseits mutet die Romanvorlage von Elizabeth Taylor mit all ihrem Pathos wie ein Rührstück von Rosamunde Pilcher an. Zeitgleich lässt die Autorin ihre Heldin ebenfalls genau in diesem literarischen Metier wildern.

Angel Deverell ist wie ein "It-Girl" des frühen 20. Jahrhunderts. Ein Begriff, der Frauen benennt, die mittendrin statt nur dabei sind, aber bloß bescheidene Talente haben. Statt Hot Pants trägt Angel feine Roben. Ozon zeigt damit einmal mehr seine Liebe zu üppigem Dekor.

Angel ist zudem die konsequent umgesetzte Reaktivierung eines Genres, das seit den 60er Jahren völlig ausgestorben ist. Ozons englischsprachiges Filmdebüt passt eher nach Amerika als nach England, weil es zwischen Scarlett O'Hara und Mervyn Leroys Little Women zu finden ist. Doch Ozons Liebe zur Sprache britischer Schauspieler wie Romola Garai, Charlotte Rampling oder Sam Neill transferiert das kitschige Setting perfekt in Englands gepflegte Landschaftsgärten. Angel ist so wie einer dieser schön frisierten Gärten: Ein wunderschöner Anblick, und doch weiß man: So sieht das in Wirklichkeit alles gar nicht aus. Matthias Greuling

Angel

GB/B/F, 2007 Regie: François Ozon Mit Michael Fassbender, Romola Garai, Sam Neill, Charlotte Rampling. Verleih Filmladen. 137 Min.

Ab 10. August im Kino.

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