Bergheld mit Schrammen

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Die Erstbesteiger des Manaslu fürchteten den Zorn der Einheimischen mehr als den Berg. Mit Knüppeln bewaffnet stellten sich ihnen die Bewohner des nepalesischen Dorfes Samba entgegen. Frühere Expeditionen hätten den Berggott erzürnt, dieser sie mit Lawinen und Pocken bestraft. Erst die Regierung in Kathmandu konnte die Wut der Dörfler mäßigen, den Weg auf den 8000er frei machen. Das war 1956.

Im selben Jahr wird Hans Kammerlander als sechstes Kind einer Bergbauernfamilie in Südtirol geboren. Der "Berg der Seelen" (Sanskrit "mansana": Geist, Seele) ist weit außerhalb jedes Horizonts für den Bub. Für den hört die Welt hinter dem Hausberg auf. Hat er diesen aber bestiegen, Schule schwänzend, hinter Touristen hinauf schleichend, steht ihm das Tor zu den Weltbergen offen.

So erzählt es zumindest Kammerlanders Filmbiografie "Manaslu - Berg der Seelen", die in dieser Hinsicht die letzte ihrer Art ist. Bei Kammerlander kann aufgrund seines Geburtsjahrs und seiner Herkunft noch einmal viel Heimatfilm in die Biopic eines lebenden Extrembergsteigers gepinselt werden: steile Leiten mähen, aus einer Schüssel essen und viel Rosenkranz beten Das wird alles so gewesen sein, das Nachspielen dieser Zeit und Umstände rutscht jedoch meist und auch bei "Manaslu" in die Waldbauernbub-Idylle. Kammerlander selbst korrigiert die schönen Kamerabilder über seine Kindheit: In der Früh gab es kein "Guten Morgen", nur arbeiten. Beim Schanzenhüpfen zerbrach sein mit Schwammerlsuchen verdienter erster Schi. Als seine Mutter starb, schmerzte ihn das weniger.

Aber so wie Kammerlander als Bergsteiger über sich hinauswächst, macht auch "Manaslu" großes Kino aus den großen Bergen. Im FURCHE-Interview 2006 beschrieb Kammerlander die Ingredienzen für einen erfolgreichen Bergfilm: "Für einen Film ist eine steile, hohe Wand allein zu wenig; da muss der Berg in einem Gebiet stehen, wo die Anreise viel hergibt; die Zuschauer wollen vom Land etwas mitbekommen, von den Menschen, von der Kultur und dann halt noch eine Brise Abenteuer - es soll ein schöner Film rauskommen, nicht der Soloauftritt eines Selbstdarstellers."

Die Filmmacher von "Manaslu" halten sich an diese Vorgaben. Und sie haben Glück mit Kammerlander: Der ist ein Haupt-aber kein Selbstdarsteller. Der ist ein Held, der mit Schrammen zurückkehrt -und voller Staunen, warum er überlebte und nicht abstürzte, nicht vom Blitz erschlagen wurde. Das Schicksal schlägt Kammerlander im Tal. Falsch, er schlägt sich, fährt stark alkoholisiert Auto, verursacht einen Unfall, ein junger Mann stirbt. Im Gespräch sagte Kammerlander: "Wichtig ist, an den Niederlagen nicht zu zerbrechen " Wie schwer das ist, wenn aus eigener Schuld so viel zerbricht, zeigt Kammerlanders Gesicht, als er von Star-Regisseur Werner Herzog dazu befragt wird. (Wolfgang Machreich)

Manaslu -Berg der Seelen A 2018. Regie: Gerald Salmina. Mit Werner Tinkhauser, Hans Kammerlander, Michael Kuglitsch. Thimfilm. 123 Min.

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