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Der Faszinateur

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Der erste Roman, ein neuer „Tod in Venedig“, schildert die letzten Tage des 50jährigen Infanterieobersten in der US-Army Richard-Cantwell, der von Triest herübergekommen ist, um in den Lagunen Enten zu jagen und seine Freundin Renata, eine 19jährige, sehr neugierige Contessa, zu treffen. Gespräche zwischen den beiden und mit den Mitgliedern eines merkwürdigen „Ordens“, bei dem man an die „Schlaraffia“ denken mag, bilden den Inhalt, das winterliche, winddurchwehte Venedig die makabre Kulisse. Inhalt der Gespräche ist die Liebe und der Krieg, über den der Oberst als Fachmann erstaunliche Dinge zu berichten weiß. Wie weit die Selbstkritik der Amerikaner an ihrem SHAEF und ihrer Staatsführung gehen kann, möge man etwa auf Seite 252 selbst nachlesen. Aber schließlich ist es der Ton, der die Musik macht. Uber diesen später.

Held des zweiten Buches ist der Sprit- und Menschenschmuggler Harry Morgan, der um jeden Preis zu Geld kommen will, dabei auf unvorstellbar brutale Art einen Chinesen „killt“ und, bei seinem nächsten Abenteuer selbst tödlich verwundet, reuig meditiert: „Wenn ich nur vor fünf Jahren nicht ganz so gerissen gewesen wäre!“ Den blutigen Hintergrund bildet eine kubanische Revolution.

Der Stil, in dem das erzählt wird, ist echter Hemingway, der Ton wird in der venezianischen Geschichte durch den teils stupiden, teils monotonen Militärjargon bestimmt, im zweiten Buch durch eine kaum mehr zu überbietende Direktheit der Rede. Der Effekt dieser hochstilisierten, hur scheinbar „naturalisti-sdien“ Vortragsweise ist: Faszination. Ihre Mittel sind, nach einer Definition Curt Lan-genbecks: technische Rafinesse, Kälte, Eitelkeit, Schamlosigkeit, Brutalität, Hochmut, Feinnervigkeit und Herrschsudit. Ihre Wirkung trifft den nervösen und erotisierten Intellekt vieler moderner Leser an seiner schwächsten Stelle, und Hemingway ist ein Meisterschütze.

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