Gut gegen Nordwind - Emmi (Nora Tschirner), Heimarbeiterin, steht in einer E-Mail-Liebesbeziehung zum Linguisten Leo. - © Sony

Die ehrlichste Version von uns selbst

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Die Vergangenheit hat bewiesen, dass genug Stoffe für unverfilmbar erklärt wurden, die wenigsten es aber blieben. Auch das Genre des Briefromans stellt keine unüberwindbare Hürde dar: Um Leo und Emmi, die Hauptfiguren des intensiven E-Mail-Verkehrs in Daniel Glattauers „Gut gegen Nordwind“, in der Bühnenfassung nah, doch unerreichbar zu halten, diente eine einzige Wand als Kniff. Ebenso ist die jetzige Leinwandfassung eine Lehrstunde darin, wie Kino zwei Personen in nächster Nähe voneinander trennen kann – und genau dadurch früher oder später veranlasst, für sie Partei zu ergreifen.

Etwa wenn sie in den selben Supermarkt gebracht werden und nur eine Regalreihe, ein letzter Zufall fehlt, dass sich die beiden vertrauten Unbekannten begegnen. Ein Schreibfehler hat den elektronischen Dialog von Leo (Alexander Fehling), dem Linguisten, und Emmi (Nora Tschirner), der Heimarbeiterin, ausgelöst.

Er beflügelt sie. Sie tauschen keine Telefonnummern aus, versprechen einander nicht zu googeln und haben durch diese Anonymität das Gefühl, die ehrlichste Version von sich selbst sein zu können. Beiden eröffnet sich durch diese Kommunikation ein Blick auf ihr eigenes Leben, ihre Beziehungen, während sie sich rettungslos ineinander verlieben.

Die Schwierigkeit für Regisseurin Vanessa Jopp ist es, ein Drittel der Zeit dafür verwenden zu müssen, Leuten beim Mailschreiben und -diktieren zuzusehen und über die Stimmung, die sie dabei zeigen, die Spannung aufrecht zu erhalten. Das gelingt ihr, auch dank Fehling und Tschirner, die im Bild wie als Offstimme zwischen Sarkasmus, Sorge und Verletzlichkeit all die Nuancen zweier Erwachsener verkörpern, die noch nicht angekommen sind, wo sie glücklich sein könnten.

Obwohl es später zu überbetonter Symbolik und romantischen Ausritten kommt: Viele Freunde machen wird sich „Gut gegen Nordwind“ auch als Film; nicht die Generation WhatsApp vielleicht, aber andere, die selbst einmal in Mails ihre Sehnsüchte transportiert haben.

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