Die Entlarver der Nachhaltigkeit

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"Wie in all seinen vorangegangenen Arbeiten stellt Werner Boote auch in 'The Green Lie' gespielt naiv die Fragen, um wenig später aus dem Off seine Schlussfolgerungen parat zu haben."

Werner Boote schuldet Eva Glawischnig ein Dankschreiben. Mit ihrem Wechsel in die Glücksspielbranche, in eine Funktion, deren Beschreibung dem entspricht, was der neue Dokumentarfilm des "Plastic Planet"-Machers angetreten ist, auseinander zu nehmen, hat die Ex-Vorsitzende der Grünen sein Thema just zum Kinostart zurück in die Schlagzeilen gebracht. Dabei ist "The Green Lie" gar kein parteipolitischer Seitenhieb. Auch nicht in Bezug aufs heimische Umweltministerium, das sich durch seine Umbenennung kürzlich selbst ins Visier dieses Films begeben hat; das sich, um Bootes Gedanken weiterzuspinnen, als Mogelpackung industrieller Interessen zu erkennen gibt.

Sein Titel meint nämlich die globale Konzernstrategie, die Begriffe Verantwortung und Nachhaltigkeit zu vereinnahmen. Gleich auf der ersten Station der Reise wird die idealistische Traumblase, es hätte sich darüber hinaus etwas am Geschäftszweck geändert, zum Platzen gebracht. Natürlich sei Berkshire ein For-Profit-Unternehmen, nennt der Vertreter von Warren Buffetts Hedgefonds seine wahre Verantwortung, als er bei einem Galadinner in die Zange genommen wird. Im Duo gemeinsam mit der Autorin des Buchs "Das Ende der Märchenstunde", Kathrin Hartmann, macht sich Boote auf die Exkursion durch die Welt des sogenannten Greenwashing. Das eröffnet ihm die Möglichkeit einer Good-Cop-Bad-Cop-Dynamik - genauer jene von empörter Aufklärerin und "Zuckerwatte des Konsums" naschendem Verdrängungskünstler, der weiß, dass er falsch liegt, aber gerade deshalb Erstere diebisch gerne provoziert.

Brachiale Argumentation

Also ähnlich einer Mutter-Kind-Beziehung, wenn er zu Hartmanns Entsetzen einem der indonesischen Kämpfer gegen die Palmöl-Industrie das davor strotzende Sackerl Süßigkeiten anbietet, oder später einen giftigen Teerklumpen in die Hand nehmen will. Zwischen bitteren Fakten soll dieses Zanken Auflockerung schaffen, sagt aber letztlich am meisten über den Regisseur selbst. "Seit meiner Kindheit strebe ich nach Harmonie", behauptet der kokett zu Beginn.

Unbedingt gilt diese Harmonie für sein Gedankengebäude. Wie in all seinen vorangegangenen Arbeiten stellt er darin gespielt naiv die Fragen, um wenig später aus dem Off seine Schlussfolgerungen parat zu haben. Die zweite, hinzugekommene Stimme wird auch deshalb zu keiner gleichberechtigten. Verbal und sogar von den Aktionen her ist es eher unangenehm anzusehen, wie Boote seine "Begleitung" seinen Handlungen ausliefert -sogar in unterschwelliger Form, wenn er die beiden vorgeblich allein in einem Tesla mit leeren Akkus in einem deutschen Braunkohle-Tagebau stranden lässt. Ebenfalls in die Argumentationskette eingefügt ist damit das bejubelte E-Mobil mit dessen Schattenseiten -Stichwort Lithium -nahtlos gefolgt vom neuerdings grünen Stromriesen RWE und einem weiteren Konfrontationsversuch.

Bestätigung holt sich Boote aus dessen Fehlschlag genauso wie von der anderen Seite: vom Müllkünstler, der den heutigen Abfall nicht mehr gebrauchen kann, vom Wirtschaftstheoretiker Raj Patel oder von Noam Chomsky höchstpersönlich. Sofern er sie reden lässt. Am kürzesten kommen in "The Green Lie" allerdings die Alternativen, die Strategien, um zur Verantwortung zu zwingen oder solche selbst zu übernehmen. "Der Gedanke, auf etwas verzichten zu müssen, gefällt mir überhaupt nicht" - Bootes Taktik, als "einer von uns" sein Publikum zu erreichen, hätte dafür richtig sein können. Seiner Dominanz geschuldet steckt er hier jedoch in ernsten -nachhaltigen -Schwierigkeiten.

The Green Lie A 2017. Regie Werner Boote. Filmladen. 97 Min.

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