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Ein furioses Psychodrama

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Der studierte Geologe G. bildet sich ein, einen „Hühnerhals” zu haben. Um diesen zu verbergen, trägt er ständig eine Halskrause mit Kordel und leidet unter extremen Kontaktängsten, natürlich auch Frauen gegenüber. Er möchte am liebsten leben, „wo keine Menschen sind”. K., Flugbegleiterin, war stets Klassenbeste und empfindet sich als „Mißgeburt” ihrer zu dicken Hüften und Beine wegen. Ihre Nahrungsaufnahme wird von Selbstmorddrohungen begleitet, ständig trägt sie ein Glas Erbrochenes mit sich.

An „Dysmorphomanie” leiden Menschen mit vermeintlichen körperlichen Defekten, die ihr Lieben vollständig davon bestimmen lassen. Das gleichnamige Stück des Russen Vladimir Sorokin wurde nun im Wiener Schauspielhaus uraufgeführt.

Der Psychiater (Todesengel?) der Anstalt stellt sieben Insassen mit ihren vermeintlichen Defekten, Ticks und (psychiatrischen) Biographien vor. Dann läßt er sie ihre persönliche Kleidung und ihre „Krücken” abgeben, steckt sie in Kostüme aus Shakespeares „Hamlet” und „Romeo und Julia” und sieht abwartend ihren zum Teil brutalen und obszönen Rollenspielen zu -Psychodrama als Therapie für psychisch Kranke in höchst übersteigerter Form.

Dem 1955 in Moskau geborenen Autor, der studierter Petrochemie-In-genieur ist und schon früh ins Deutsche übersetzt wurde, gelingt eine furiose Typenzeichnung (von den Mitgliedern des Schauspielhaus-Fjnsem-bles ebenso furios umgesetzt). Der Psychiatrie-Mißbrauch in der ehemaligen Sowjetunion verleiht dem Geschehen zusätzliche Dramatik. In der entfesselten Shakespeare-Orgie läßt Regisseur Christian Stückl das Groteske allerdings zu sehr überhandnehmen, gesellschaftskritische Ansätze werden dadurch verwischt. Hochmotiviert verausgaben sich Adelheid Bräu, Silvia Fenz, Roswitha Soukup, Uwe Achilles, Sebastian Blomberg, Christoph Müller, Steffen Schroeder und Eduard Wildner.

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