Gangsterfilm für Cineasten

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The Mission - Cheung Fo

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The Mission - Cheung Fo

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Den Gangsterfilm verwandelt Johnnie To unter der Hand zu einer Studie über Räume, Blicke, Schüsse - und den daraus resultierenden Beziehungen unter den Figuren. In Totalen, oft von Weitwinkeln bestimmt, unter tranceartig sich wiederholender Musik, entstehen aus den Stellungen des Wartens kurze Konfrontationen: fünf Killer werden von einem Triadenboss angeheuert, ihn zu schützen, ihr Alltag, die Art, wie sie einander näherkommen, kommen ebenso zur Darstellung wie der Job, für den sie bezahlt werden - schießen oder sterben. "The Mission" geht stilistisch und thematisch einen neuen Weg gegenüber dem zuletzt im Kino präsentierten "Running Out of Time". Eine überraschende Schlusswendung lässt den souverän komponierten Film, der dem Kino Akira Kurosawas einen Tribut erweist, spielerischer erscheinen. Empfehlenswert für Cineasten - auch solche, die das europäische Kino dem asiatischen vorziehen - ab 16.

In Gesprächen vermittelt Johnnie To das Bild eines selbstkritischen Regisseurs, der Plagiate strikt ahndet und von seiner Regiearbeit glaubt, dass sie Wiederholungen vermeiden müsse, um interessant zu bleiben. Noch nach Beendigung seines ersten Spielfilms, "The Enigmatic Case", verordnete sich Johnnie To weitere sieben Jahre Fernseharbeit, bis er mit "Happy Ghost 3" seinen zweiten Film vorlegte, erst mit seiner vierzehnten Arbeit "Loving You" sah sich der mittlerweile unabhängig produzierende und kommerziell sehr erfolgreiche To an einen Punkt angekommen, an dem er meinte, etwas von seiner Arbeit zu verstehen, wie er sagt. "Nicht nach Effekten haschen, sondern überlegen, was ein großer Film ist. Danach habe ich seit ,Loving You' gestrebt", sagt To, und seine neuen Produktionen sind allesamt eigenständige Entwürfe, voller überraschender Wendungen, von sicherer Hand kalkulierte Konstruktionen - und sehr effektvoll, entgegen seiner Beschreibung, und so intim, dass man von großen Strategien und kleinen Filmen reden kann. "Running Out of Time" band einen genialen - und todkranken - Verbrecher an einen talentierten Cop auf eine Art, dass sich jede Sequenz etliche Male wendete darin, wer wen jagt. Sein neuester Film, "Help!!!", den er gemeinsam mit seinem Partner Kai Ka Fai realisierte, ironisiert das Genre des Krankenhausdramas, wirft kommentierende Schlaglichter auf die Filmindustrie und bricht Tabus in der Art, wie er über das Gesundheitssystem Hongkongs spricht.

"The Mission", der 1999 entstanden ist, bewegt sich wie "Running Out of Time" im aktionsreichen Gangster-Milieu: die neue thematische Seite, die To dem Genre abgewinnt, ist der Blick auf die Leibwächter eines Triadenbosses, die er zugleich gemeinsam in den Mittelpunkt stellt - anstelle eines Mächtigen seine Helfer, anstelle einer Konfrontation von Gegenspielern ein Ensemblefilm. Stilistisch wendet To die Konventionen in ihr Gegenteil: Totalen, oftmals von Weitwinkeln bestimmt, anstelle von schnellen Wechseln im Schuss/ Gegenschuss, eine Hommage an Akira Kurosawa, wie To sagt, ein langsames Tempo, tranceartig durch den Einsatz von Musik, eingefrorene Spannung - jeder Schuss der Zug in einem Schachspiel, dessen Regeln der Bewegung im Raum meisterhaft im Schnitt umgesetzt sind.

Fünf Killer mit unterschiedlichem Hintergrund werden vom Triadenboss Lung angestellt, ihn zu beschützen, als sich Mordanschläge unbekannter Herkunft häufen: Roy, der örtliche Boss der Unterwelt, Shin, ein gefürchteter Berufskiller, Curtis, schweigsam und diszipliniert, Mike, elegant und feminin, James, mit einer Schwäche für Süßes. Die Attentate auf Lung schälen sich regelrecht aus zweideutigen Situationen heraus, die sich steigern zur Gewissheit: Blicke, erhöhte Aufmerksamkeit, Muster des Verhaltens, die die fünf, die langsam Freunde werden, immer besser beherrschen, Sicherung des Raumes in Blickachsen, die schließlich - aber auch nur manchmal - in Schussachsen münden. Oft aber geschieht auch gar nichts: die Stellungen des Wartens, die honorierte Demut, ein Ballspiel mit einem zerknüllten Papier, ungesehen von beflissenen Blicken. Ruhe, gespeist aus einer Langeweile der Figuren, breitet sich aus in diesem Film. Es gibt - wie von Johnnie To erwartet werden kann - eine Pointe zum Schluss. "Rules are rules" spricht einer der fünf Bodyguards aus dem Off - und das Kino ist da, damit es sie bricht.

Irene Rudolf

HK 1999 - Produktion: Milkyway Image - Produzent: Johnnie To, Wai Ka Fai, Gary Chi Kwong, Yau Tat Chi - Verleih: polyfilm - Länge: 81 min. - Regie: Johnnie To - Buch: Yau Nai Hoi, Milkyway Creative Team - Kamera: Cheng Siu Keung - Schnitt: Chan Chi Wai - Musik: Chi Wing Chung - Darsteller: Anthony Wong, Francis Ng, Roy Cheung, Jackie Lui, Simon Yam, Lam Suet - BBWK: nicht eingereicht - Prädikat: nicht eingereicht

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