In den steirischen Bergen

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Ein Busunfall mitten im abgefeimten Alpenland ist der Ausgangspunkt von "Die Kinder der Toten", einer Adaptation von Elfriede Jelineks Roman.

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Ein Busunfall mitten im abgefeimten Alpenland ist der Ausgangspunkt von "Die Kinder der Toten", einer Adaptation von Elfriede Jelineks Roman.

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Eine ewige Sekretärin findet sich durch eine Doppelgängerin genervt und kühlt ihr Mütchen an ihrer, heute würde man sagen: Helikoptermutter. Ein paar Söhne, die schon vor langem Selbstmord begangen haben, treiben ihren Vater, einen Förster, ins Durchdrehen. Eine -wie könnte es bei Jelinek anders sein -Nazi-Übriggebliebene eröffnet das Cinema 666, wo man die verflossene Vergangenheit hemmungslos beweinen kann. Und all das beginnt mit einem Busunfall in den steirischen Bergen rund um Neuberg an der Mürz - jener Gegend, aus der die Jelinek gebürtig ist, in die sie aber jedenfalls seit dem Nobelpreis 2004 nicht mehr gekommen ist.

Nur diese wenigen, angedeuteten Handlungsstränge mögen zeigen, dass es in "Die Kinder der Toten" einmal mehr um eine Paraphrase eines Österreichs geht, in dem die Geister der NS-Vergangenheit längst noch nicht zur Ruhe gekommen sind. 1995, als Jelinek den Roman verfasst hat, fiel Franz Vranitzky mit seinem Schuldbekenntnis des politischen Österreich auf. "Da hätte Vranitzky eigentlich gar nichts mehr sagen müssen", meint Jelinek in einem Interview zum Film und setzt hinzu: "Und gleichzeitig war da in Österreich der junge Führer der Rechten, damals einmalig in Europa ..." Dass Jörg Haider aus heutiger Sicht angesichts seiner Nachfolger fast als Lämmchen durchgeht, hätte wohl die Jelinek anno 1995 auch nicht wirklich vorhergesagt.

Ein mehr als origineller Zugang

Vor diesem Hintergrund ist dieser Film durch und durch heutig, auch wenn er nicht jedermanns Sache sein wird. Die Handlung in schräg und eben grobkörnig, amateurfilmangemuteten Stummfilmbildern dargestellt, mit den Texten dazwischen montiert und dem jazzigen Soundtrack Wolfgang Mitterers, der von den alpenländischen Klängen der Protagonisten nachhaltig konterkariert wird, scheint Patina angesetzt zu haben. Und bleibt noch präsent, auch wenn Österreicherin und Österreicher dies alles ja längst vergessen wollten.

Man konzediert Kelly Copper und Pavol Liska einen mehr als originellen Zugang. Dieser Film hat etwas. Und wird der Romanautorin vermutlich mehr gerecht als das überernste Kino selbst eines Michael Haneke. Wer hätte das gedacht?

Die Kinder der Toten A 2018. Regie: Kelly Copper, Pavol Liska. Mit Andrea Maier, Lukas Eigl. Stadtkino. 92 Min.

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