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Schuldige Unschuld, unschuldige Schuld

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Ein Krimi mit Verweischarakter ist Mulischs Roman, der keine Schuldsprüche ausspricht, sondern mit Fakten gegen den Faschismus auftritt.

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Ein Krimi mit Verweischarakter ist Mulischs Roman, der keine Schuldsprüche ausspricht, sondern mit Fakten gegen den Faschismus auftritt.

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Anton Steenwijk steht im Zentrum von Harry Mulischs neuem Roman und damit auch im Mittelpunkt zwischen Widerstandskämpfern und Nazis, die ihn im Alter von zwölf Jahren durch das Attentat an Fake Ploeg zum Waisenkind gemacht haben.

Noch Jahre später will Anton diesen Winterabend, an dem seine Eltern und sein älterer Bruder von den Nazis ermordet wurden, nur weil Nachbarn den Erschossenen vor ihr Haus gelegt hatten, aus seinem Gedächtnis verbannen. Den Grund dafür sollte Anton erst 56 Jahre später erfahren. Dies erscheint nahezu grotesk.

Ein ehemaliger Studienkollege macht Antons Teilnahme an der großen Friedensdemo in Amster-dcim zur Bedingung einer Zahnbehandlung. Wieder, wie vor fast 30 Jahren, ist es derselbe Kollege, der ihn mit seiner Vergangenheit zusammenführt, als Anton der Einladung seines späteren Zahij-arztes nach Haarlem gefolgt war, wo er die Namen seiner Eltern auf einer Gedenktafel im Ort lesen konnte. Mitten im Gedränge trifft Anton die einstige Nachbarstochter, die mit ihrem Vater Ploeg vor das Haus seiner Eltern geschafft hat. Doch „die Erklärungen waren fast noch grausamer als die Wirklichkeit".

Mulisch verfällt in keine „Braun-Weiß-Malerei", er versucht mit Khschees aufzuräumen: „damals sah der Deutsche tat-sächhch aus wie ein ,fanatischer Nazi', und lächerlich wirkte das 1945 keineswegs." Mulischs Ironie macht betroffen, zum Beispiel, wenn der Sohn eines Naziverbrechers zehn Jahre nach dem Krieg dem Beispiel seines Vaters folgt, denn „er war ein Faschist, aber ein guter, aus Überzeu-gung". Mit derselben Überzeu-■ gung wird er 20 Jahre später auf Amsterdams Straßen Steine auf Kommunisten werfen und dessen ungeachtet bald darauf Chef eines eigenen Unternehmens für Sanitärbedarf. „War jeder schuldig und unschuldig? War die Schuld unschuldig und die Unschuld schuldig?"

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