Strategien des Überlebens

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Nur noch in der Erinnerung des Großvaters lebt die Tradition fort. Träumerisch stimmt der italo-amerikanische Regisseur Jonas Carpignano auf seinen Film "Pio" ein. Damals war der Roma-Clan noch unterwegs mit Wagen und Pferd. Sie lagerten auf einer Wiese am Fluss, aus dem der Patriarch frisches Wasser für seinen morgendlichen Zitronensaft schöpfte. Was für ein Kontrast zur düsteren Gegenwart! Längst ist die Familie sesshaft geworden, wohnt in einem verrufenen Viertel der kalabrischen Küstenstadt Gioia Tauro und hält sich über Wasser mit Diebstählen und dubiosen Geschäften mit der Mafia. Draußen schmoren Kabel in einem offenen Feuer, um Kupfer zu gewinnen.

Das Wasser für das Frühstücksgetränk kommt aus dem Hahn, hektisch bereitet der Enkel Pio es zu. Von den sentimentalen alten Geschichten will er nichts wissen. Der 14-Jährige ist damit beschäftigt, dem großen Bruder nachzueifern. Doch die erwachsenen Männer begegnen ihm spöttisch. Aber als der Bruder mal wieder von der Polizei abgeholt wird, weiß Pio diese Chance zu nutzen.

Agile Handkamera vermittelt Authentizität

Jonas Carpignano ("Mediterranea") fängt in seinem Adoleszenzfilm präzise den unruhigen Alltag der Großfamilie ein, wofür er dokumentarische Mittel nutzt. Die dialektsprechenden Mitglieder stellen sich selbst dar und die agile Handkamera ahmt Pios hastige, aber zielsichere Entwicklungsschritte nach, auf der Fährte der erregenden Machenschaften der erwachsenen Männer. Dabei hält sie immer wieder aufmerksam dessen wache, noch weiche Züge im Gesicht fest, das sehnsüchtig-staunend dem Bruder hinterher blickt.

"Pio" ist ein überragendes Beispiel für neuere Tendenzen im italienischen Kino. Mit realistischen Mitteln erkunden Filme wie "La Terra dell'Abbastanza","Sole, Cuore, Amore" oder "La Ragazza del Mondo", wie sich die Wirtschaftskrise auf die Jugend und die kleinen Leute auswirkt, zu deren Überlebensstrategien nicht selten die Faszination durch kriminelle Banden gehört.

Pio (A Ciambra) I/USA/F/D 2017. Regie: Jonas Carpignano. Mit Pio Amato, Koudous Seihon, Iolanda Amato, Damiano Amato. Filmladen. 118 Min.

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