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"Timbuktu": Fußball & Singen streng verboten

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Was der Dschihadismus in der Sahelzone angerichtet hat, davon berichteten die Medien nur rudimentär. Zeugnisse wie der Film "Timbuktu“ sind umso wichtiger.

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Was der Dschihadismus in der Sahelzone angerichtet hat, davon berichteten die Medien nur rudimentär. Zeugnisse wie der Film "Timbuktu“ sind umso wichtiger.

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Eine Schlüsselszene zeigt ein Fußballspiel der Jugend von Timbuktu. Alles ist so, wie eben im Wüstensand möglich. Nur der Ball fehlt, er wird von den Burschen imaginiert, denn Fußballspielen ist verboten. Rauchen sowieso. Ebenso wie Musizieren jeglicher Art. Und die - verschleierten - Frauen müssen Socken und schwarze (Woll-)Handschuhe anhaben - auch die Fischverkäuferin auf dem Markt, und mag sie noch so zetern und keifen, dass sie ihrer Arbeit behandschuht nicht nachgehen kann.

Ein leises, stilles, bedrückendes und an Eindrücklichkeit unüberbietbares Filmzeugnis ist Abderrahmane Sissako mit "Timbuktu“ gelungen. Der mauretanische Regisseur erzählt eine Geschichte aus der Kulturstadt im Norden von Mali, die im Jahr 2012 von Dschihadisten besetzt und mit einem Terrorregime überzogen wurde. In den Tagen von IS und Paris-Terror kommt ein fiktionales, aber authentisches Zeugnis in die heimischen Kinos, das eben nicht irgendwelche Vereinfachungen verkündet, sondern in großer Langsamkeit und Traurigkeit vom Untergang der Hoffnung in dieser geplagten Weltgegend erzählt.

Und "Timbuktu“ ist schon gar keine filmische Agitation gegen den Islam - im Gegenteil. Er zeigt vielmehr äußerst behutsam, aber klar, wie die Gewalt in die Wüstengesellschaft einbricht: Mit Soldatenstiefeln, die hier wie überall in der Welt heutzutage Sneakers sind, und Kalaschnikows in der Hand stürmen die neuen Herren in die altehrwürdige Moschee. Ob sie denn nicht wüssten, dass man das Haus Gottes nur ohne Schuhe und Gewehre betreten dürfe, herrscht sie der Imam an. Aber das schert die rabiaten Rechtgläubigen nicht: Den Bewohnern versuchen sie mit einer Unzahl von Verboten (siehe oben) den rechten Glauben einzuprügeln - 20 Stockhiebe setzt es für Fußball oder Gitarre spielen, vermeintlicher Ehebruch führt sowieso gleich zur Steinigung. Aber die Gotteskrieger selber scheren sich um keine Ehrfurcht, wenn diese nicht von den Buchstaben ihrer Gesetze gefordert wird.

Die Mühlen der Gewaltherrschaft

"Timbuktu“ erzählt von Kidane, der friedlich mit seiner Frau Satima, seiner Tochter Toya und dem Hirtenbuben Issa in den Dünen vor der Stadt lebt. Er bleibt im Gegensatz zu vielen anderen auch unter den neuen Machthabern hier. Das Schicksal nimmt seinen Lauf, als der Fischer Amadou die Lieblingskuh GPS des Hirten Issa tötet. Als Kidane den Fischer darob zur Rede stellt, löst sich ein Schuss und Amadou stirbt.

Nun gerät Kidane in die Mühlen der Schnelljustiz der Gewaltherrscher, die mittels Scharia-Rechtssprechung ihm ans Leben wollen. Dass er Satima damit zur Witwe und Toya zur Waise macht, rührt den unbarmherzigen Richter sogar. Aber dessen atavistisches Gottesverständnis lässt dem Mitleid keinen Raum.

Regisseur Abderrahmane Sissako führt zur Genese des Films ein Verbrechen an, das im Juli 2012 in einer nordmalischen Stadt von den Dschihadisten verübt wurde: Ein Paar in den 30-ern, Eltern zweier Kinder, wurde gesteinigt - sie waren formell nicht verheiratete. Die grauenvollen Bilder der Steinigung wurden von den Folterern ins Internet gestellt, die Gewalttat wurde von den Medien dennoch kaum berichtet. Er wolle über Schockgefühle keinen Film promoten, schreibt Sissako, aber: "Jetzt, wo ich davon weiß, muss ich in der Hoffnung darauf davon erzählen, dass nie wieder ein Kind später erfahren muss, dass seine Eltern sterben mussten, weil sie sich liebten.“

Dem Statement des Regisseurs ist wenig hinzuzufügen, nur dass ihm mit "Timbuktu“ ein außergewöhnliches Zeugnis gelungen ist, dem sich der Zuschauer aussetzen sollte. Es bedarf eines auch künstlerisch bedeutenden Filmes wie "Timbuktu“, um der Weltöffentlichkeit die Lage klarzumachen und sie aufzurütteln, um den Opfern des Terrors Gesichter und Stimmen zu verleihen. In Tagen wie diesen ist dies kaum notwendiger wie je zuvor.

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