Vergiftete Wahrheit - © Film: Tobis

"Vergiftete Wahrheit": Anwalt und Bauer gegen Chemie-Giganten

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Walter Gasperi über den neuen Film von Todd Haynes.

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Walter Gasperi über den neuen Film von Todd Haynes.

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Nicht unbedingt die erste Wahl für einen Thriller um einen Umweltskandal scheint Todd Haynes zu sein, der mit „Far from Heaven“ und „Carol“ Meisterwerke des modernen Melodrams schuf. Doch der 59-jährige Amerikaner beweist mit „Vergiftete Wahrheit“ seine Wandlungsfähigkeit und stemmt auch dieses Projekt scheinbar mühelos. Auf Basis eines 2016 in der New York Times erschienenen Berichts erzählt Haynes von dem sich über zwei Jahrzehnte hinziehenden Kampf des Anwalts Robert Bilott (Mark Ruffalo) gegen den US-Chemie-Giganten DuPont. Reagiert der Wirtschaftsanwalt, der im Grunde gerade solche Konzerne vertritt, zunächst abweisend auf die Bitte eines Bauern, für ihn zu klagen, da seine Rinder durch eine angrenzende Mülldeponie erkranken und schließlich verenden würden, so verbeißt er sich bald in den Fall.

Mit Zeitinserts, die sich von den 1990er Jahren bis 2017 ziehen, macht Haynes deutlich, wie mühsam der Kampf gegen diesen Konzern, der sogar von der Regierung geschützt wurde, war. Keine großen Gerichtsszenen stehen dabei im Zentrum, sondern vielmehr das mühsame Aktenstudium Bilotts und sein zermürbender Versuch, Licht in die Sache zu bringen. Lange dauert es hier schon, bis er durchschaut, dass sich hinter der Abkürzung PFOA Perfluoroctansäure verbirgt, das bei der Herstellung von Teflonpfannen, Teppichen und Outdoor-Kleidung verwendet wird, aber hochgradig krebserregend ist. Gerade durch seine nüchterne Inszenierung entwickelt dieser Thriller, der ganz in der Tradition von Klassikern wie Alan J. Pakulas Watergate-Film „Die Unbestechlichen“ oder Michael Manns „Insider“ steht, durchgängig große Spannung.

Keine Leerstellen gibt es im Drehbuch, der Fokus liegt ganz auf den Ermittlungen Bilotts, aber auch die Auswirkungen dieser Belastung auf seine Gesundheit und seine Familie sind perfekt in die Erzählung integriert. Mit treibender Musik werden immer wieder Szenen verdichtet, während Kameramann Ed Lachman mit verwaschenen Grau- und Blautönen, kaltem Licht und kahler Landschaft eine beklemmende Atmosphäre evoziert. Dazu kommt ein bis in die Nebenrollen hinein perfekt gewähltes Ensemble, das von Mark Ruffalo angeführt wird, dessen zurückhaltendes Spiel jede Heroisierung des 2017 mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichneten Anwalts verhindert. Unaufdringlich wird auch ein Bild der großen gesellschaftlichen Kluft in den USA gezeichnet, und dem Karrieredenken und der Profitgier von Anwälten, die vorzugsweise große Konzerne vertreten, der Einsatz für die Schwachen und für Gerechtigkeit gegenübergestellt. Geschickt verdichtet Haynes dabei auch die Vielzahl der Menschen, die durch die Umweltsünden Du Ponts an Krebs erkrankten und starben, auf wenige Charaktere, deren Schicksale emotional bewegen.

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