Zeithistorie beschönigt

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Großbritannien kann sich bis heute nicht mit dem Verlust seiner Weltmacht aussöhnen. Das findet seinen Widerhall im zeitgenössischen Kino. So beleuchtet "Niemandsland" die eigene Bedeutung als Besatzungsmacht. 1946 herrscht in Hamburg ein strenger Winter. Die Stadt ist überfüllt mit Menschen, die hungern und frieren. In dieser angespannten Situation zieht Rachael Morgan zu ihrem Mann, einem pflichtbewussten und sachorientierten Oberleutnant, der den Wiederaufbau organisiert. Er gehört zu jenen, die an den guten Kern des Deutschen glauben.

Darum hat er den Besitzer seiner Unterkunft, den Architekten Stephan Lubert, auch nicht ausquartiert. Doch Rachael sieht sich außerstande, mit einem Deutschen unter einem Dach zu wohnen -ihr Kind fiel einer deutschen Bombe zum Opfer. Aber geteiltes Leid stiftet Nähe: Der Architekt hat bei einem alliierten Angriff seine Frau verloren.

In James Kents kitschigem, obgleich gutgemeinten Historiendrama, das auf Rhidian Brooks gleichnamigem Roman basiert, gibt die Dramaturgie des Liebesfilms den Takt an. Die "Fraternization" wird hier aus umgekehrter Perspektive geschildert, eine Besatzerin lässt sich mit dem Feind ein. Die Begegnung der schöngeistigen Offiziersgattin mit dem kultivierten und empfindsamen Deutschen soll ein lebendiges Bild vermitteln, wie Deutsche und Briten unter dem Bombenkrieg litten. Doch die Liebesbeziehung wirkt blutleer und nicht lebensecht.

Der Film beschwichtigt allzu schnell alle feindseligen Gefühle, alle Verwirrung. Rachael begibt sich genregerecht in eine fürsorgliche Rolle, bewegt sich anmutig in ihren auserlesenen Kostümen, statt diesen Mann, seine Geschichte und das unbekannte Land kennenzulernen. Taktvoll beschönigt der Film zeithistorische Erkenntnis; die Täter waren leider nicht nur verblendete junge Menschen, die am eintätowierten Kürzel "88" erkennbar waren.

Niemandsland -The Aftermath GB, USA 2018. Regie: James Kent. Mit Keira Knightley, Alexander Skarsgård, Jason Clarke, Flora Thiemann. Centfox. 109 Min.

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