Europa - © Foto: Filmladen

Zwielichtiges Europa

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Die austro-iranische Regisseurin Sudabeh Mortezai beleuchtet in ihrem neuen Spielfilm „Europa“ die Machenschaften eines auf (legalen) Landraub fokussierten Konzerns am Balkan.

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Die austro-iranische Regisseurin Sudabeh Mortezai beleuchtet in ihrem neuen Spielfilm „Europa“ die Machenschaften eines auf (legalen) Landraub fokussierten Konzerns am Balkan.

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Das erste Bild, ein Schock: Die Kamera blickt vom Rücksitz eines fahrenden Autos auf einen wütenden Mann, der sich mit blutenden Armen durch die Windschutzscheibe am Armaturenbrett festgekrallt hat. Warum ist dieser Mann so aufgebracht? „Europa“, der neue Film der österreichischen Regisseurin Sudabeh Mortezai, erzählt in einer langen Rückblende die Geschichte hinter diesem Vorfall. Managerin Beate Winter (unheimlich: Lilith Stangenberg) tourt im Auftrag eines zwielichtigen Konzerns namens „Europa“ durch Albanien und versucht, den wenigen Einheimischen eines abgelegenen Tals ihr Land abzukaufen. Dabei schiebt sie bessere Zukunftsperspektiven und die Infrastruktur größerer Städte vor, um die im spirituellen Einklang mit der Landschaft lebenden Bauernfamilien zur Umsiedlung zu bewegen. Es kommt zum Konflikt mit dem Imker Jetnor, der sich beharrlich weigert, das Land der Vorfahren aufzugeben. Mortezais dokumentarisch geschulter Blick (mit Ausnahme von Stangenberg wurden alle Szenen mit ortsansässigen Laiendarstellern gedreht), der sich etwa schon bei der Milieustudie „Joy“ (2018) bewährt hat, gibt auch „Europa“ seine authentische Kraft. Wir werden Zeuge einer archaischen Welt, wo die Zeit stehen geblieben ist und die Ruinen der Diktatur Enver Hoxhas das Land wie Gespenster durchziehen. Dass der Grund, warum Beate Winters Firma die Ländereien kaufen will, bewusst im Unklaren bleibt, ist Stärke und Schwäche des Films zugleich. Auf der einen Seite gewinnt „Europa“ dadurch die Spannung eines Politthrillers, in dem undurchschaubare Mächte im Hintergrund walten. Auf der anderen Seite bleibt der Film aber aufgrund seiner Pauschalkritik an europäischer (Konzern-)Politik zu unspezifisch, um wirklich ins Mark zu treffen: Im Infragestellen des europäischen Zusammenhalts fühlen sich hier vielleicht die falschen Leute bestätigt.

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