Zwischen Turbulenz und Ordnung

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Selbst als junge Frau, Ende der Achtzigerjahre, kann die etablierte Klatschkolumnistin Jeannette Walls noch nicht die Wahrheit über ihre Eltern aussprechen. Mit dem Finanzanalysten David wird sie bald eine gute Partie machen, aber man sieht es ihr förmlich an, dass sie sich, in Designerstoffe gehüllt, in den gutbetuchten Kreisen, in dem nüchtern-sachlich gehaltenen, großen Appartement nicht wohlfühlt. Ihre freiheitsliebenden Eltern sind obdachlos. Mit ihnen und den Geschwistern zog sie in der Kindheit von Ort zu Ort. Mal schliefen sie in der freien Natur, mal konnten die Eltern eine feste Unterkunft organisieren. Eigentlich hätte Jeanette deren Wandertrieb als Abenteuer erlebt, wenn sie nicht immer wieder Hunger gelitten und der Größenfantasien spinnende, alkoholsüchtige Vater seine Wut an der Familie abreagiert hätte. So bewegte sich das Familienleben stets auf der "Grenze zwischen Turbulenz und Ordnung".

Destin Daniel Crettons Familien- und Entwicklungsdrama "Schloss aus Glas" basiert auf der gleichnamigen Biografie der Journalistin Jeannette Walls und schildert deren Abnabelung aus der Perspektive der erwachsenen Frau in Rückblenden. Nicht nur kann der Zuschauer den Schrecken ihrer Erlebnisse, teilweise erschütternde Szenen nicht nur kindlicher Misshandlung, lebendig nachfühlen, sondern auch ihre Unbehaustheit noch in der Gegenwart spüren.

Dabei folgt die Dramaturgie religiösen Erbauungsgeschichten, irritiert mit ihrem versöhnlichen Schluss: Jeannette bekennt sich am Ende zu ihren Eltern und zu ihrer Herkunft, löst sich angesichts ihres Vaters Tod von ihrem falschen Leben.

Schloss aus Glas (The Glass Castle) USA 2017. Regie: Destin Daniel Cretton. Mit Brie Larson, Naomi Watts, Woody Harrelson. Constantin. 128 Min.

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