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Melinda Nadj Abonjis Romandebüt überzeugt nicht.

Bei manchen Klappentexten bereut man, sie gelesen zu haben: Wenn man beispielsweise erfährt, dass es sich bei der Prosa der Autorin um eine "fragile Textur" handle, fühlt man sich implizit aufgefordert, beim Lesen behutsam zu sein, am besten nichts "anzugreifen". Es ist der Klappentext zum Debüt der jungen, in Zürich lebenden Autorin Melinda Nadj Abonji, der solcherart ein bisschen gar laut "Achtung, Porzellanladen!" ruft. Das ist nicht gut; man wird als Leser nur ungern für einen potenziellen Elefanten gehalten. Das Unbehagen, das einen somit bereits auf dem Weg zu "Im Schaufenster im Frühling" überfallen hat, verflüchtigt sich auch während der Lektüre nicht ganz.

Im Mittelpunkt des Romans steht Luisa - ihre Beziehungen, ihre Welt als Kind, als Mädchen, als junge Frau. Es ist ein Leben, das nicht glücklich werden kann. Luisas Kindheit ist geprägt von familiärer Gewalt. Der Vater schlägt sie, die Mutter ist schwach. In der Familie ihrer besten Freundin Antonella geht es beinahe noch schlimmer zu. Zuflucht finden die beiden Mädchen bei Herrn Zamboni, dem Friseur. Er, sein Salon, sein Hund im Schaufenster, das bestimmt den sonnigen Gegenort in Luisas Leben.

Das Muster ist vorgegeben, was folgt, sind Wiederholungen. Als junge Frau lebt Luisa in Wien. Die beste Freundin heißt nun Valerie und hat Gefängnis-Erfahrung. Geborgenheit sucht Luisa bei ihrer alten Nachbarin, Frau Sunder. Und der verheiratete Geliebte hat unter seinem Bett eine Waffe versteckt. Einzig die Frage, wer wem Gewalt antun wird, scheint eine neue Antwort zu finden. Denn es ist Luisa, die die Waffe auf den Geliebten richtet.

Zahlreich sind die formalen und stilistischen Einfälle, die Nadj Abonji aufbietet, um Luisas Wahrnehmungen und ihre Entwicklung sprachlich und durch die gesamte Konstruktion des Romans zum Ausdruck zu bringen. Erzählt wird von Luisas Standpunkt aus. Was anrührt, ist die kommentarlos lakonische und lebendige Schilderung der Welt des Kindes.

Weniger geglückt erscheint dagegen die Verschränkung der zeitlichen Ebenen. Wohl um das Ineinander der kindlichen und der erwachsenen Erfahrungen Luisas zu zeigen, gibt es keinen chronologischen Handlungsfortschritt, sondern einen steten Wechsel des Standorts vom Kind zur Frau zur Heranwachsenden und wieder retour. Das Problematische dabei ist die inkonsequente Verwendung von Mitvergangenheit und Gegenwart. So sind über beinahe zwei Drittel des Romans hinweg nur die Passagen mit Frau Sunder im Präsens erzählt, was den Leser im Glauben wiegt, es hier mit der allerjüngsten Gegenwart zu tun zu haben und Frau Sunder mit ihren Fragen für die Hebamme von Luisas Erinnerungen zu halten. Ohne erkennbaren Grund wird dieses Prinzip aufgegeben. Ähnlich unmotiviert wirkt der plötzliche Wechsel von der personalen Erzählperspektive zur Ich-Erzählerin gegen Ende. Durch diese formalen Unschlüssigkeiten wirkt der Text schlampig gearbeitet und verliert an Aussagekraft. Am Ende bleibt der Eindruck, einen Rohentwurf gelesen zu haben, der von einem Roman doch noch relativ weit entfernt ist.

Im Schaufenster im Frühling

Von Melinda Nadj Abonji

Ammann Verlag, Zürich 2004

167 Seiten, geb., e 18,40

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