Briefe an die Hoffnung

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Christopher Hitchens' Plädoyer gegen die Anpassung.

Die große Masse der Angepassten, jene, die die Köpfe gleich einziehen, wenn sich unruhiges Wetter zusammenbraut, wird der unbequeme, in England geborene und seit geraumer Zeit in den USA lebende Journalist Christopher Hitchens kaum zu großen Aufrührern und mutigen Widerstandskämpfern gegen den Zeitgeist umfunktionieren.

Das Buch des Autors, geschrieben in Form von fiktiven Briefen an einen jungen Menschen - also jener Generation, wo noch Hoffnung lebt - ist eher zu lesen als eigenwilliges Zeitdokument. Es rüttelt schon dadurch auf, dass es überhaupt geschrieben wurde. Die geballte Faust auf dem Umschlag macht einem nämlich bewusst, wie lange die kritischen und aufrührerischen Zeiten schon zurückliegen und wie sehr die karrierebedingte stromlinienförmige Anpassung oder die schlichte desinteressierte Unaufgeregtheit der Spaßkultur die Zeitläufte bestimmen. Daneben brachte die Globalisierung eine Normierung dessen, was vernünftig ist, und die Einwände dagegen erscheinen antiquiert und destruktiv.

Wo also sollte das Widerwort verortet werden? Hitchens geht es weniger um solch thematische Vorgaben und gar nicht um ein alternatives Konzept. Vielmehr ist er ein Verehrer des alten Heraklitwortes, dass der Streit der Vater aller Dinge sei. Schon der Streit an sich ist gut - so seine reine Methodenlehre einer offenen Gesellschaft. Nichts sei gefährlicher als Harmonie, erst aus Disput und Konflikt erwachsen neue Ideen, die Freiheit für die Menschen und die Chancen, das Leben tagtäglich ein Stückchen besser zu machen.

So wie jede liberale Ordnung einen Rahmen braucht, gibt es auch für diese bescheidene intellektuelle Vision eine Voraussetzung: Demnach muss jeder seine Meinung am Markt der Streitkultur feilbieten und darf sie nicht zur absoluten Wahrheit verklären. Der Autor gerät mit solchem Anspruch zwangsläufig in heftige Opposition zu allen einer Wahrheit oder gar dem Absoluten verpflichteten Religionen. Ohne die moralische Integrität vieler Menschen, die aus dem Glauben viel bewegen, in Frage zu stellen, "knickten sie in ihren intellektuellen Maßstäben ein", wenn sie über ihren Glauben sprechen.

Lang ist die Liste, die Hitchens seinem imaginären jungen "Unruhegeist" gegenüber abarbeitet, wo überall das Widerwort gesprochen werden muss, wobei Rassismus und religiös inspirierter Fanatismus ihm besonders aufstoßen. Er würzt seine flammenden Appelle mit zahlreichen konkreten Beispielen, auch er selbst schreitet eifrig voran und erzählt, wie es ihm ergangen ist, wann immer er seine spitze Feder gegen die Großen der Welt gerichtet hat.

Tröstlich nur, dass auch die Kämpfer und Unbequemen, die Dissidenten, nichts weiter sind als "Säugetiere" und dass manchmal ihre Eitelkeit, geistige Schlichtheit oder Einäugigkeit unsere Bewunderung für ihren heroischen Widerstand ein wenig schmälern. Hitchens Buch ist einer Durchsicht wert, man sollte es freilich nicht gleich zur Seite legen und schon die Lektüre für einen mutigen Akt des Aufbegehrens gegen eine Welt halten, der man's ja immer schon einmal so richtig sagen wollte.

Widerwort. Eine Verteidigung der kritischen Vernunft

Von Christopher Hitchens

Aus dem Englischen v. Joachim Kalka

Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 2003, 189 Seiten, geb., e 20,50

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