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Boshaft verspielte Geschichten von Werner Kofler: "Kalte Herberge".

Hetzgasse Nr. 8, ein Haus im 3. Wiener Gemeindebezirk. Ein ganz normales Haus eigentlich, allerdings eines, das heute bereits leer steht, das vor sich hinbröckelt, das seinen Verputz verliert, das bald abgerissen werden wird. Diese "Kalte Herberge" ist der Ausgangspunkt für Werner Koflers Spekulationen über frühere Bewohner, Polizeieinsätze, Blutbäder im Innenhof, Geschäftsalltag im Erdgeschoss und was ein Haus so alles erlebt haben könnte in den letzten hundert Jahren.

Aber eigentlich geht es gar nicht wirklich um das Haus, es dient nur als Start, als Einstieg, als erstes Stichwort einer verschlungenen Assoziationskette, die ums Schreiben, um den Schriftsteller, um das Subjekt und dessen Gedankengänge kreist. Der Ich-Erzähler ist ein Reisender, "ich mittendrin, selbst ein Reisender, ein Mitreisender, ein mitleidloser, auf Mitleid angewiesener Mitreisender, ich mittendrin, zwischen Koffern, Körpern, Säcken, Korbflaschen, Splittern und Geschichten..."

Und zwischen diesen Geschichten switcht er hin und her, erzählt uns hier ein wenig, dort ein bisschen, kommt vom Hundertsten ins Tausendste und wieder zurück, und hat dabei doch weder viel Aufhebens noch viele Worte gemacht. Jene aber, die uns erreichen, schwarz auf weiß, sind verspielt und manchmal poetisch, manchmal beinhart und fast ordinär. Kofler wechselt zwischen den Sprachstilen wie zwischen den Themen, er legt sich nirgendwo fest und präsentiert uns immer nur einen Teil des jeweiligen komplexen Ganzen. "Ein Bruchstück" sagt uns der Untertitel, es sind aber vielmehr etliche Bruchstücke, die hier versammelt sind in der "Kalten Herberge" der Sprache, in der Kofler schon dafür sorgt, dass wir es uns auch nicht zu gemütlich machen. Kaum fühlen wir uns in einer Geschichte zu Hause, wird sie schleunigst zum Bruchstück, damit wir ganz schnell sehen, wer hier das Sagen hat und die Fäden in der Hand.

Und woraus diese Stücke gebrochen sind, könnte man wohl am ehesten mit subjektive Wahrnehmung eines schreibenden Subjektes bezeichnen, und dieses mögliche Ganze ist ordentlich unüberschaubar, ziemlich privat und schamlos öffentlich, zieht sich in sich selbst zurück und schnellt daraus wieder hervor, um zu kommentieren, was es umgibt, vom Autobus 74A, wieder 3. Bezirk, über reichlich feindselige Wahrnehmungen, etwa Mittagsgeschnatter aus Einfamilienhäusern, bis hin zum Tatort, damit es am Ende noch schön makaber werden kann.

Werner Kofler ist ein begnadeter Zyniker und als solcher auch bekannt geworden. Geboren 1947 in Villach, begann er relativ spät, nämlich erst in den neunziger Jahren, den literarischen Markt für sich zu entdecken. Zu seinen bekanntesten Texten zählen etwa "Guggille. Vom Bravsein und Schweinigeln", "Aus der Wildnis" oder "Tanzcafé Treblinka".

"Kalte Herberge" hat den boshaften Witz der früheren Werke, aber auch einen beinahe melancholisch anmutenden Unterton, der zeigt, dass hier jemand Einkehr hält in der Selbstwahrnehmung, aber das ist natürlich auch nicht ganz ernst gemeint. Das Motto heißt nach wie vor: boshaft verspielt.

KALTE HERBERGE

Von Werner Kofler

Deuticke, Wien 2004

88 Seiten, geb., e 14,90

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